Radikale Akzeptanz... Hört sich erstmal komisch an, macht das Leben aber durchaus leichter

Denn was ich nicht schaffe, schafft mich

In der letzten Woche hatte ich so einiges auf dem Tisch, ein bunter Blumenstrauß an menschlichen Problemszenarien in einer dynamischen und komplexen Welt, in der nichts so gewiss ist, wie die stetige Veränderung. Alles das, dieses verrückte VUCA, kann uns Menschen ganz schön zu schaffen machen. Da ist das Gefühl, immer wieder gegen Wände zu laufen, in einer Sackgasse festzustecken, nicht weiterzukommen, überall eingebremst zu werden allgegenwärtig. Ich denke jeder von uns kennt diese Situationen der gefühlten Ohnmacht und des totalen Frusts. Wieviel Energie hat es euch schon geraubt, sich immer wieder über alles das, was ihr nicht ändern könnt, zu ärgern und aufzuregen? Mich schon eine ganze Menge! Hat mir dieser Energieaufwand irgendetwas gebracht? -Nö! Mit dieser aberwitzigen Energieverschwendung bin ich Gott lob nicht allein. Deshalb steht momentan das Opfer-Gestalter-Modell von Stephen R. Covey in Form einer Flipchart permanent hinter mir, in meinem Homeoffice-Videostudio.

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Das Opfer-Gestalter-Modell

Damit ich das, was ich schaffen will, auch wirklich schaffen kann

Im Prinzip ist es ganz einfach: Es gibt Bereiche in unserem Leben, die können wir aktiv gestalten und beeinflussen. Das ist unser Einflussbereich! Hier können wir Dinge schaffen. Zusätzlich dazu gibt es Bereiche in unserem Leben, die wir nicht aktiv beeinflussen können, die jedoch uns und unser Leben beeinflussen. Das ist unser Betroffenheitsbereich. Hier können wir machen und tun was wir wollen, wir können es nicht ändern. Es liegt nicht in unserer Macht. Oder kann von euch jemand Corona wegzaubern?

Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten: entweder wir fokussieren uns auf unseren Betroffenheitsbereich, oder auf unseren Einflussbereich. Fokussiere ich mich auf meinen Betroffenheitsbereich stecke ich in einer Sackgasse aus Umständen fest, die meine Leben beeinflussen und denen ich ausgeliefert bin. Ich werde zum Opfer. Fokussiere ich mich auf meinen Einflussbereich bleibe ich aktiv und im Tun. Ich gestalte mein Leben bewusst. Oder wie es ein kluger Mann lange vor Covey dereinst sagte:

Der ziellose Mensch erleidet sein Schicksal. Der zielbewusste gestaltet es.
— Immanuel Kant

Denn Sackgasse ist und bleibt Sackgasse, egal mit wie viel Energie ich gegen die Wand laufe!

Von Stephen Covey zur radikalen Akzeptanz

Eh wir uns dann gleich dem Thema der radikalen Akzeptanz widmen, sollte der Vollständigkeit halber noch erwähnt werden, dass auch unser Einflussbereich nochmal in zwei Teile geteilt werden kann: zum einen ist da der Teil, den wir direkt und selbst gestalten und beeinflussen können und zum anderen der Teil, den wir nur beeinflussen und gestalten können, indem wir uns Hilfe suchen, Dritte ansprechen und mit ins Boot holen (und nein, göttliche Fügung ist nicht die Art von Hilfe, von der ich hier schreibe). Aber was hat das jetzt mit dieser radikalen Akzeptanz zu tun? Und ist das überhaupt etwas Gutes? All jenen, die jetzt das Gefühl haben, dass sich radikale Akzeptanz irgendwie negativ anfühlt, denen sei gesagt, dass akzeptieren nichts mit resignieren zu tun hat. Resignieren ist etwas sehr Passives, aufgeben. Akzeptieren ist ein ausgesprochen aktiver Vorgang. Ich entscheide mich bewusst aktiv loszulassen. Und was sollte ich loslassen? -Klar, alles das, was ich ohnehin nicht ändern kann, denn nur so verballere ich nicht all meine Energie dabei, in Sackgassen gegen die Wand zu laufen, wieder und wieder und wieder. Außerdem laufe ich so nicht in Gefahr, dass meine Stimmung darunter leidet und ich irgendwann wirklich ins resignieren komme.

Achtsamkeit, oder bewusstes Beleuchten einer Problemstellung ist jetzt gefragt, um sich bewusst darüber zu werden, ob ich eine Situation selbst aktiv beeinflussen kann, ob ich jemanden kenne, der dabei behilflich sein kann, oder ob die Situation außerhalb meines Einflussbereichs liegt.

Kann ich selbst aktiv Einfluss nehmen, mache ich mich ans Werk, kenne ich jemanden, der behilflich sein kann, spreche ich diese Person an und wenn beides nicht funktioniert, lasse ich los und nutze meine Energie für die Dinge, die ich selbst beeinflussen kann, denn das schaffe ich, ohne dass es mich schafft!

À propose Energie: Wie eingangs erwähnt sind unsere Ressourcen ja durchaus begrenzt. Aus diesem Grund drängt sich die Frage auf, ob wir denn auch wirklich alles angehen müssen, was in unserem Einflussbereich liegt. Natürlich nicht, oder wenigstens nicht sofort. Auch innerhalb unseres Einflussbereichs ist es in Hinblick auf ein angemessenes Stressmanagement durchaus sinnvoll zu priorisieren und eins nach dem anderen zu machen. Hierbei ist es sinnvoll sich ganz ehrlich selbst zu fragen, wie groß unser Problem denn wirklich ist. Selbstverständlich fange ich mit den großen Problemen an, erstmal die, die ich selbst abarbeiten kann, dann kommen die an die Reihe, für die ich Hilfe benötige. Wenn dann noch Energie und Zeit übrig ist, gehe ich die nicht ganz so großen Probleme an, erst wieder die, die ich eigenständig lösen kann und dann die, bei denen ich Hilfe brauche. Eigentlich ganz einfach, oder? Man muss es eben nur mal genauso durchziehen!

Damit nicht genug, denn auch innerhalb unseres Betroffenheitsbereichs ist es klug zwischen großen und kleinen Problemen zu unterscheiden. Denn auch gedanklich muss ich mich nicht mit jedem noch so kleinen Problemchen beschäftigen. Corona lässt sich nicht ausblenden, klar. Das beschäftigt uns alle. Aber sei mal ehrlich zu dir selbst: wie häufig und wie intensiv beschäftigst du dich mit unlösbaren Problemen, die eigentlich keine Rolle spielen? Kleiner Tipp: man darf das ein oder andere auch einfach mal ausblenden!

Und was ist mit Eisenhower?

Wer sich durch diese Matrix nun an das gute alte Eisenhower Prinzip erinnert fühlt und sich fragt, wie das nun hier reinpasst, oder ob es inzwischen überholt ist, dem sei gesagt, das Eisenhower Prinzip und dessen Priorisierung nach Wichtigkeit und Dringlichkeit der anstehenden Aufgaben ist ein verdammter Dauerbrenner. Um es aber effektiv nutzen zu können, muss ich mir vorher überhaupt erstmal bewusst werden, ob alles das, was ansteht und mich beschäftigt, tatsächlich in meinen Einflussbereich fällt.

Und ab heute wird radikal akzeptiert…

Wie fühlt sich die Idee der radikalen Akzeptanz jetzt für dich an? Ich finde sie ziemlich verführerisch und versuche alles das, was ich nicht ändern kann aktiv zu akzeptieren und mich nicht mehr aufzuregen. Das klappt mal besser und mal schlechter, ist aber ein wichtiger Ansatz um auch weiterhin in einer immer komplexeren und dynamischen Welt den Überblick zu behalten und nicht in eine innere Haltung abzugleiten, die mir suggeriert, dass ich ein Leben führe, wie im Hamsterrad, dass ich renne und renne und doch nicht ankomme, weil alle Entscheidungen mein Leben betreffend an anderer Stelle getroffen werden.

In diesem Sinne wünsche ich euch einen selbstbestimmten Sonntag und einen tollen, aktiven Start in eine neue Arbeitswoche. Nehmt euch vor den Hamsterrädern in Acht!

Eure Constance

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Radikale Akzeptanz

Denn manchmal muss man einfach loslassen

Schwarze Schafe im Diversity-Dschungel - und was bleibt ist die Angst vor dem Fremden

Weil schwarze Schafe vielleicht gar nicht anders sind, sondern die weißen alle gleich

Man kennt sie, diese schwarzen Schafe. Jede Familie, jede Gemeinschaft, jede Gesellschaft hat sie. Überall gibt es Menschen die anders sind; lauter, leiser, bunter, frecher, unangepasster, zurückhaltender. -Anders eben! Ich könnte euch gleich mehrere Kontexte liefern, in denen ich mir vorkam wie ein schwarzes Schaf, wie ein Fremdkörper, anders als die anderen. Ist das jetzt gut oder schlecht? Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung! Was ich jedoch interessant finde ist, dass das, was wir alle oft recht unüberlegt als schwarzes Schaf bezeichnen, doch eher negativ belegt ist. Und warum? Weil es anders ist und anders ist doof…

Interessant finde ich all diese gesellschaftlichen und politischen Bemühungen zu sehen, die uns klipp und klar machen sollen, dass anders nicht doof oder bedrohlich ist, sondern eine großartige Bereicherung. Wir diskutieren über Gleichstellung, “gendern” wie die Weltmeister, applaudieren zu Diversity, bemühen uns selbst im Kreise unserer Comedians um bestmögliche politische Korrektheit und selbst die katholische Kirche (also wenigstens die ein oder andere) schmückt sich mit Regenbogenfahnen. Warum muss man um etwas, das selbstverständlich sein sollte, so ein Tamtam machen, liebe Lesenden?! Weil es, wenn wir mal den Mut haben, radikal ehrlich zu sein, eben doch nicht selbstverständlich ist.

Schwarze Höhlen-Schafe und die Säbelzahntiger

Wie wir es auch drehen und wenden, dieses Gefühl, dass schwarze Schafe eher doof, vielleicht sogar gefährlich sind, scheint irgendwie Teil unserer DNA zu sein. Wäre dem nicht so, müsste man sich nicht so viel Mühe geben, eine bunte, diverse und gleichberechtigte Gesellschaft zu gestalten. Wären wir der tiefen Überzeugung, dass das Problem sei, dass die weißen Schafe alle gleich sind und eben nicht, dass das schwarze Schaf anders ist, würde Diversity keine Rolle spielen. Dann würde man das Andere zur Kenntnis nehmen und anders sein lassen. Leider hat unser Gehirn irgendwann im Laufe der Evolution etwas anderes gelernt. Deshalb braucht es jetzt diese kognitive und intellektuelle Auseinandersetzung mit Diversity, Toleranz und Gleichberechtigung.

Wie war das denn damals mit den schwarzen Schafen in der Steinzeit? Ich bin mir ganz sicher, auch unter den Höhlenmenschen gab es schwarze Schafe, Menschen die anders waren, als die anderen. Allerdings war es damals überlebenswichtig als möglichst homogenes Kollektiv zu funktionieren. Die, die ausscherten wurden entweder vom Säbelzahntiger gefressen, oder flogen aus der Höhle (und wurden dann wahrscheinlich auch vom Säbelzahntiger gefressen). Was übriggeblieben ist, ist dieses homogene Kollektiv, für das es das Wichtigste ist, nicht aus der Menge hervorzutreten. Bloß nicht auffallen! An dieser Stelle muss ich immer an ein Gedicht denken, das Nelson Mandela im Rahmen seiner Amtseinführung als erster schwarzer Präsident Südafrikas zitierte:

Unsere größte Angst ist nicht unzulänglich zu sein. Unsere größte Angst ist grenzenlos mächtig zu sein. Unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, ängstigt uns am meisten. Wir fragen uns: wer bin ich denn, dass ich so brillant sein soll? Aber wer bist du, es nicht zu sein? - Du bist ein Kind Gottes. Es dient der Welt nicht, wenn du dich klein machst. Sich klein zu machen, nur damit sich andere um dich herum nicht unsicher fühlen, hat nichts Erleuchtendes. Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes, die in uns ist, zu manifestieren. Es ist nicht nur in Einigen von uns, es ist in jedem Einzelnen. Und wenn wir unser Licht scheinen lassen, geben wir damit unbewusst anderen die Erlaubnis, es auch zu tun. Wenn wir von unserer Angst befreit sind, befreit unsere Gegenwart automatisch andere.
— Marianne Williamson

Irgendwie hat sie recht, die Frau Williamson… Intuitiv ordnen wir uns nur zu gerne ein und unter und haben Angst davor zu strahlen. Ein bisschen auffallen ist ja ganz OK, aber auf keinen Fall aus der Masse herausstechen… Nicht, dass der Säbelzahntiger uns frisst! - Was? - Ach so?! - Ja, es gibt keine Säbelzahntiger mehr! Richtig…

Immer diese Evolution…

So haben es also diejenigen geschafft, ihre Gene weiterzugeben, die vorsichtig, unauffällig und ängstlich waren. Hat die Evolution ja gut hinbekommen. Bloß nicht auffallen! Bloß nicht selbst zum schwarzen Schaf werden und anders sein. Die Panik vor dem Fremden und Unbekannten sitzt wirklich tief und beginnt schon in der Art und Weise wie unsere Sinne unsere Welt beobachten und wie unser Gehirn diese Beobachtungen beurteilt. Das Dilemma beginnt damit, dass unser Gehirn nur etwa fünf Prozent all der Information, die unsere Sinne einsammeln, verarbeitet und uns damit bewusst macht. Hierbei fokussieren sich unsere Wahrnehmungsfilter auf Bekanntes und Vertrautes. Taucht doch mal etwas Unbekanntes auf, gibt unser Angsthirn, die Amygdala, erstmal Alarm, denn fremd und unbekannt ist erstmal potenziell bedrohlich.

Potenziell bedrohlich sind natürlich auch Menschen die anders sind als wir selbst. Auch diese Reaktion unseres Gehirns kommt irgendwie aus der Steinzeit. Klar bedeuteten andere, fremde Stämme damals immer Gefahr und Krieg. Interessant finde ich, dass sich diese Erfahrungen offensichtlich tief in unser Unterbewusstsein eingegraben haben. Es gibt Studienreihen, in welchen Menschen Bilder von Menschen anderer Ethnien und der gleichen Ethnie gezeigt wurden, um die unwillkürliche Reaktion im Gehirn zu beobachten. Und tatsächlich kam es beim Betrachten von Menschen einer anderen ethnischen Herkunft zu einer erhöhten Reaktion in Gehirnregionen, die für Alarm und Angst zuständig sind. Es gibt Versuche mit Kindern im Kindergartenalter, die lieber mit Puppen der eigenen Ethnie spielen und dass Menschen einer anderen Ethnie für uns häufig alle gleich aussehen, ist ja schon ein alter Hut.

Und jetzt?

Keine Sorge, wenn es eines gibt, was wirklich großartig in Hinblick auf unser manchmal etwas schwerfälliges Gehirn ist, dann ist es die Tatsache, dass die Kapazität unserer Blackbox unendlich ist und sie eigentlich nur darauf wartet, dazu zu lernen. Und das tut auch wirklich Not! Sowohl gesellschaftlich, als auch im Business-Kontext!

In Anbetracht der Tatsache, dass unsere zunehmend globalisierte Welt immer dynamischer, schnelllebiger und komplexer wird und sich zudem immer stärker vernetzt, ist festzustellen, dass es neue, moderne Wirtschaftsorganisationen braucht, mit neuen, modernen Menschen, um auch weiterhin erfolgreich zu sein. Die von mir fast schon verehrte Harvard Professorin Amy C. Edmondson hat deutlich gemacht, dass in dieser neuen Welt nur sogenannte Lernende Organisationen langfristig erfolgreich sein können. Das Herzstück dieser Lernenden Organisationen sind Menschen, die den Mut haben, aus der Masse herauszutreten, das Wort zu erheben, kritisch zu sein. Nun ja, die Wirtschaftsorganisationen lernen und lernen, getragen von dieser Welle, die man momentan als New Work bezeichnet. Das ist ein Prozess, den ich tagtäglich als Agile Coach begleiten darf. Der Mensch muss sich eben ganz neu orientieren. -Und das dauert!

Aber auch gesellschaftlich gesehen brauchen wir diese Menschen, die den Mut haben anders zu sein, aus der Masse herauszutreten. Denn nicht nur die Wirtschaft soll und darf sich weiterentwickeln. Auch in unserer Gesellschaft ist sicher noch Luft nach oben. Als ich gestern darüber nachgedacht habe, welche Bedeutung Menschen haben, die mutig genug sind, aus der Menge hervorzutreten, ist mir spontan Graf Stauffenberg eingefallen. Ich musste daran denken, wie ich vor ein paar Jahren an genau der Stelle stand, an der Graf Stauffenberg seine Aktentasche deponiert hat. Wie wäre diese Welt wohl, wenn es mehr Menschen von seinem Kaliber gegeben hätte? Und gibt es heute wirklich schon genug Mutige? Ich persönlich glaube nicht. Tja, und deshalb brauchen wir wohl alle diese politischen und gesellschaftlichen Diskussionen rund um Diversity, Gender Equality, Gleichstellung und für den Moment braucht es vielleicht sogar gesetzlich verordnete Toleranz und Offenheit gegenüber allem dem, was anders ist. Denn nur wenn wir uns intellektuell mit dem anders Sein auseinandersetzen, gibt auch irgendwann das Angsthirn nach.

Wir brauchen kunterbunte Regenbogen-Schafe!

Ich gebe zu, wenn ich nicht darüber nachdenke, sind schwarze Schafe bei mir noch immer negativ belegt. Aber im zweiten Schritt sage ich mir immer wieder, wie wertvoll sie für uns alle sind. Gleichzeitig genieße ich, dass die Welt immer näher zusammenrückt und ich so immer wieder Einblicke in andere Kulturen bekomme. Diversity und Gender Equality bedeutet keineswegs, dass wir alle gleich sind, sondern dass wir unsere Unterschiedlichkeit wertschätzen und genießen. Und zwischendurch versuche ich selbst immer mal wieder ein schwarzes Schaf zu sein, schwarz oder kunterbunt! Ich versuche mutig zu sein, das, was mich ausmacht und von allen anderen unterscheidet, nicht zu verstecken, sondern in Szene zu setzen. Ich versuche zu strahlen, ein kunterbuntes Regenbogen-Schaf zu sein.

Habt einen schönen Sonntag und strahlt mit!

Eure Constance

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Aus der Menge herausgetreten

Unscheinbarer Ort und historischer Boden, an dem Stauffenberg damals seine Aktentasche abstellte

True Leadership! -Was ist jetzt das schon wieder?!

Nicht schon wieder spazieren gehen

Aus meiner einwöchigen Osterpause melde ich mich mit einem Blog aus der beliebten Serie “die schöne neue Welt der New Work überholt sich mal wieder selbst und verwirrt ihre Jünger” zurück! Ich hoffe ihr konntet die Feiertage genießen und gut erholt in eine kurze Arbeitswoche starten. Ich habe die Zeit genutzt, um in homöopathischen Dosen Zeit mit der engsten Familie und den engsten Freunden zu verbringen. Tatsächlich war dieses Jahr etwas mehr los, als im letzten Jahr. Aber insgesamt war es mir doch zu einsam und ich hatte viel zu viel freie Zeit. Klar hätte ich mal wieder spazieren gehen können. Aber mal ehrlich, ich will nicht mehr spazieren gehen. Mir reichts. Ich will in Bars und Restaurants und mit Freunden feiern, aber ich will nicht mehr spazieren gehen. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber mir reicht es wirklich! Werde ich halt dick und rund! Egal, Hauptsache keine Spaziergänge mehr! Der positive Nebeneffekt dieser um sich greifenden Lethargie meinerseits ist, dass ich recht viel Zeit zum Lesen und Stöbern hatte. Unter anderem habe ich mir mal den aktuellen Scrum Guide angeschaut. Für alle die, die nicht wissen was das ist; kein Drama, man kann auch formidabel ohne leben. Für die Jünger der New Work Bewegung und die Verfechter agiler Strukturen ist der Scrum Guide einer der Taktgeber, eine Quelle der Inspiration für ein effizientes und selbstbestimmtes Zusammenarbeiten. Allerdings komme ich immer mehr an den Punkt mich zu fragen, ob all diese Guides und Leitfäden wirklich sinnvoll sind. Habe ich mich doch letztes Wochenende mal wieder darüber geärgert, dass sie sich ständig selbst überholen und gefühlt auf Arbeitsebene für mehr Verwirrung als Klarheit sorgen und deshalb eigentlich nur noch ein komischer Hype sind!

Zur Quelle meiner Wut

Woran sich mein inneres Äffchen letztes Wochenende so aufgerieben hat? Nun ja, als agiler Coach begleite ich Menschen durch organisationale Veränderungsprozesse und besonders im Rahmen einer agilen Transformation verlangen wir von diesen Menschen eine ganze Menge. Klar wird die Mehrheit mit mehr Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Freiheit belohnt. - So sie das auch tatsächlich als Belohnung empfinden. Eine kleinere Gruppe der Menschen, die ich begleite, wird durch diese Veränderungsprozesse jedoch zunächst einmal in eine mittelprächtige Identitätskrise katapultiert. Ich spreche von den Führungskräften, die gegebenenfalls seit Jahrzehnten damit erfolgreich waren, in klassischer Manager-Manier zu führen. So wurde es von ihnen verlangt. Das ist das was sie können und was deren Gehirn auch als gut und richtig abgehakt hat. Dass die Welt sich verändert hat und komplexe und dynamische Umfelder eine neue Art der Führung braucht, darüber habe ich schon oft gesprochen. Aber was bedeutet das für die Menschen, die Jahre lang gut und erfolgreich geführt haben und jetzt alles anders machen sollen, weil das Alte nicht mehr gut genug ist? Fühlt sich nicht so toll an. Dann nimmt man diesen Führungskräften auch noch alles weg, was ihr Selbstverständnis von Führung ausgemacht hat… Jetzt sollen sie also Servant Leader sein. Sie sollen dem Team dienen und die ihnen anvertrauten Mitarbeiter im Rahmen ihrer Weiterentwicklung unterstützen. Außerdem sollen sie ihren Leuten Raum lassen, ihnen Autonomie geben, weil ja jeder gut ausgebildete Experte selbst am besten weiß, was er braucht um seine beste Leistung abzurufen. Hört sich toll an! Ein schöner Regenbogen der uns direkt in eine bessere Welt führt. So viel zur Theorie. In der Praxis sind da gut ausgebildete, engagierte und bemühte Führungskräfte, die glauben, sie werden nicht mehr gebraucht, weil sie ja nicht mehr sagen dürfen oder sollen, wo es lang geht. Wenn wir mal ganz ehrlich sind, fühlt es sich ein wenig so an, wie als ob einem all seine Macht weggenommen wurde. An dieser Stelle greifen Coaches wie ich ins Geschehen ein. Gemeinsam erarbeitet man, wie diese neue Führung in der Praxis aussehen kann, wie und wo man seinen Mitarbeitern Autonomie geben kann und muss und was das für die Führungskraft ggf. sogar an Vorteilen mit sich bringt. Im Idealfall versteht die Führungskraft irgendwann, dass Macht nicht nur die Macht ist, anderen sagen zu dürfen was zu tun ist, sondern auch andere bewusst dazu ermächtigen zu können, eigenverantwortlich vorzugehen. Das ist ein Prozess, der Zeit braucht.

Denn Linksverkehr bleib Linksverkehr und rechts ist halt richtig - sagt die Erfahrung

Ich weiß, dass der ein oder andere sich jetzt denkt, dass das doch nicht so schwer sein kann. Ist ja auch alles ganz einleuchtend mit der neuen Art zu führen. Aber glaubt mir, es ist verdammt schwer, weil die Macht der Gewohnheit eine sehr starke Kraft ist. Ist schon mal jemand von euch während eines Urlaubs oder Auslandsaufenthalt im Linksverkehr unterwegs gewesen, als Fahrer, nicht als Beifahrer? Die Situation und die Anforderung sind ganz klar und eindeutig und im Zuge der Unfallvermeidung macht es auch Sinn, sich an die neuen, anderen Regeln zu halten. Aber mal ehrlich, wie lang habt ihr gebraucht, bis ihr nicht mehr den Scheibenwischer an Stelle des Blinkers angeschaltet habt und ihr nicht mehr im Kreisverkehr oder an Kreuzungen zweimal nachdenken musstet?

So gewöhnen wir uns nur langsam, dafür aber sicher an die neue Situation, passen uns langsam an und irgendwann ist das Neue zur Normalität geworden. Das braucht Zeit. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn, während ich langsam aber sicher im Linksverkehr ankomme, ständig die Regeln und Details neu verfasst würden. Ich glaube ich würde irgendwann hinschmeißen, total frustriert.

Der Linksverkehr agiler Führung

Alle Veränderungen, so auch unternehmenskulturelle Veränderungen, brauchen Zeit und Raum und als Coach ist es mir wichtig, den Menschen, mit denen ich arbeite, genau das zu geben. Ich erkläre das Ziel, erkenne aber auch die Ist-Situation an, so wie die Bedenken und Sorgen und ich freue mich über jeden mutigen kleinen Schritt, den der Mensch macht um heraus aus der Komfortzone in den Veränderungsprozess einzusteigen.

So weit so gut. Ich schreite Seite an Seite, Schritt für Schritt mit meinen Kunden voran. Die Vertrauensbasis wächst, genauso wie der Mut. Schritt für Schritt wächst auch die Sicherheit im neuen Terrain. Währenddessen ist es das größte Gift, wenn alle Jahre wieder ein neuer Hype auftaucht, der im Prinzip nichts Neues ist, aber ganz neu aussieht. -Klar, so lassen sich natürlich alle Jahre wieder tolle neue Bücher und Vortragsreihen verkaufen. Verstehe ich! Die Führungskraft, die mitten im Prozess steckt, die sich mühsam ein wenig mehr Sicherheit auf dem Weg zu Servant Leadership erarbeitet, versteht das sicher nicht! Warum auch? Servant Leader? True Leder? Was zum Teufel soll das alles?

Was ist wirklich wichtig?

Diese Frage stelle ich mir immer wieder, auch in Hinblick auf Agilität. Agilität um deren Selbstwillen ist sicher nicht das Ziel. Ich war Human Factors Trainer und Consultant lange bevor ich Agile Coach wurde. Ich würde sogar sagen, weil ich aus tiefster Überzeugung Human Factors Consultant bin, hat mich mein Weg hin zur Agilität geführt. Denn der Mensch braucht Raum, Autonomie und Eigenverantwortung, um sich zufrieden zu Höchstleistung aufschwingen zu können. Und was der Mensch unbedingt braucht ist Führung, eine Führung die Richtung, Sicherheit, Freiraum und Eigenverantwortung schenkt. Wie man diese Führung nennt, ist am Ende völlig egal. Es ist wie bei all diesen Schoko-Ostereiern, die wir wahrscheinlich alle in den letzten Tagen im Überfluss genossen haben: wichtig ist was drinsteckt. Was mich gelegentlich ein wenig verärgert, ist, dass ausgerechnet um das Drumherum, die äußere Form, ein solcher Lärm gemacht wird, dass das was drin steckt total ins Hintertreffen gerät. Gerade in Hinblick auf Führung ist es doch ganz einfach: Menschen folgen Menschen, nicht Positionen und Titeln. Nennt es wir ihr wollt, es wird daran nichts ändern. In meiner “alten Welt” wurde in diesem Zusammenhang sogar zwischen “Personal Power” und “Positional Power” unterschieden. Das eine ist ohne das andere ein Rohrkrepierer. Was es wirklich braucht sind Persönlichkeiten, Führungspersönlichkeiten. -Menschen, die sich ihrer eigenen Fehlbarkeit bewusst sind und deshalb auch den Wert ihrer Mitarbeiter kennen. -Menschen die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und ihre eigene Macht nutzen, um andere zu ermächtigen. -Menschen die vertrauen, fördern, unterstützen, vorangehen ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen. Wie man das dann nennt, ist völlig egal: Servant Leader, transformationale Führung, flache Hierarchie, Teammanagement, Leader as Coach oder jetzt eben seit neustem True Leadership. Vielleicht sollte man einfach damit anfangen, mit all dieser Verwirrung aufzuhören! Ich finde es wurden inzwischen genug Bücher geschrieben (auch wenn ich natürlich davon träume selbst noch eines zuschreiben). Man muss auch mal ins tun kommen und den Raum und die Zeit für Veränderungsprozesse geben ohne ständig dazwischenzufunken. -Genau das erwarten wir ja auch von den Führungskräften, die wir begleiten!

Und jetzt doch spazieren gehen?

Nein, auf keinen Fall! Ich wünsche euch einen schönen Sonntag. Ich werde meiner Lethargie frönen und ein bisschen lesen und ich freue mich auf das strahlende Gesicht von Tristans großem Bruder Alan, wenn er später sein Ostergeschenk sehen wird! Und natürlich bin ich ganz gespannt darauf, ob Tristan inzwischen schon mehr kann, als schlafen, weinen, trinken und Bäuerchen machen!

Eure Constance

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Hoch hinaus…

Denn Menschen folgen Menschen, nicht Positionen