Warum Leadership Followership braucht - Ein Beispiel aus dem Flugzeug

Ein Coach auf Abenteuerreise

Heute schreibe ich Euch aus dem schönen Prag, wo ich an diesem Wochenende angehende Flugbegleiter im Human Factors Bereich schulen darf. Ich liebe diese kleinen Ausflüge in meine alte Welt und finde, es ist an der Zeit auch Euch im Rahmen meines Blogs mal wieder in die Flugzeugwelt zu entführen.

Wenn selbst Götter machtlos sind

Als Coach und Berater habe ich momentan einen starken Fokus auf die Begleitung und Entwicklung von Führungskräften. Überhaupt scheint das Thema Leadership ein absolutes Fokusthema der schönen neuen Welt der New Work zu sein. Fakt ist jedoch, dass selbst Götter machtlos sind, wenn niemand an sie glaubt. Was aus meiner Sicht in der Welt außerhalb der High Risk Bereiche sträflich vernachlässigt wird, ist das Thema Followership. Dabei gibt es keinen guten Leadership ohne guten Followership und ebenso, wie man Menschen für das Thema Leadership sensibilisieren sollte, sollte man Menschen auch für das Thema Followership sensibilisieren. Die Luftfahrt ist an dieser Stelle deutlich weiter. -Sicher auch, weil Misserfolge in der Luftfahrt für gewöhnlich ziemlich absolut sind und nicht vertuscht oder schöngeredet werden können. Verunglückt ein Flugzeug ist das ein glasklarer Fakt, den kein Controlling der Welt mehr “schönrechnen” kann. Und bereits seit Ende der siebziger Jahre ist klar, dass der Mensch und das Team eine nicht zu unterschätzende Schlüsselrolle einnehmen, wenn es darum geht, die Dynamik und Komplexität, die es mit sich bringt, wenn man in ziemlich schweren Blechdosen ziemlich schnell um die Erde düst, zu managen. Somit blickt die Luftfahrt auf viele Jahre Erfahrung im Bereich des Human Factors Training zurück und versteht es nicht nur Leadership, sondern auch Followership zu schulen.

Die eigenen Wurzeln stets vor Augen

Wann immer ich eine Gruppe junger, angehender Flugbegleiter vor mir habe, muss ich daran denken, wie es war, als ich damals im 134. Flugbegleiterlehrgang der Condor saß. Es war aufregend, interessant, sehr anstrengend und manchmal sogar schockierend. In der Retrospektive muss ich allerdings sagen, dass es aber auch kein Hexenwerk war. Das Handwerk ist schnell gelernt, die Routine kehrt schnell ein. Man hat viele Check-Listen, die einem Sicherheit geben. Ja, es ist körperlich zuweilen sehr anstrengend und wenn Menschen mit einem geregelten Tagesablauf sagen, sie sind nach der Arbeit müde, ist das definitiv eine andere Form von müde, als die absolute körperliche Ausgelaugtheit nach einem anstrengenden Nachtflug in Kombination mit Jetlag. Aber auch das ist im Rahmen des Machbaren, sonst wäre ich sicher selbst nicht so viele Jahre geflogen. Es gibt jedoch einen Aspekt, der mir damals, mit Anfang zwanzig nicht bewusst war, der mir jedoch in den darauffolgenden Jahren immer deutlicher und klarer wurde: Um ein gutes Crewmitglied zu sein, bedeutet es zum einen, sich in die Hierarchie einzufügen, gleichzeitig aber auch ein unglaubliches Maß an Eigenverantwortung zu übernehmen. Denn jedes einzelne Crewmitglied übernimmt ganz persönlich Verantwortung für das größte Gut unserer Welt: Für Menschenleben! -Für die Leben der Menschen an Bord. Sich dieser großen Verantwortung bewusst zu sein und ihr im täglichen Tun gerecht zu werden, ist die eigentliche Herausforderung für diese zauberhaften jungen Menschen, mit denen ich heute den ganzen Tag im Lehrsaal und auf der Flugzeugattrappe verbringen durfte.

Als Trainer ist es gar nicht so einfach, diese doch recht abstrakte Verantwortung greifbar zu machen. Hierfür arbeite ich gerne mit konkreten Beispielen. An diesem Wochenende habe ich mich für eine junge, kanadische Flugbegleiterin entschieden, die vor vielen Jahren als einziges Crewmitglied den Absturz einer Maschine der Air Ontario überlebt hat.

Zurück in die Vergangenheit

Wir schreiben den 10. März 1989. Sonia Hartwick arbeitet seit zwei Jahren als Flugbegleiterin bei Air Ontario. Eine attraktive Frau, vielleicht Mitte zwanzig, mit blondem Haar, blauen Augen und einem strahlenden Lächeln. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Katherine Say, Kapitän John Morwood und dem Ersten Offizier Keith Mills soll das der letzte Tag eines mehrtägigen Einsatzes sein. Kapitän Morwood freut sich darauf, am nächsten Tag seinen Urlaub mit der Familie anzutreten und alle anderen freuen sich sicher auf zuhause. An diesem Tag soll es mit einer Fokker F28 von Thunder Bay nach Winnipeg mit einem kurzen Zwischenstopp in Dryden gehen. Eigentlich nichts Großes. In Dryden angekommen ist das Flugzeug bereits verspätet und die Verspätung scheint weiter anzuwachsen. - Ein Umstand, der für eine Besatzung immer eine gehörige Extraportion Stress bedeutet. Dem Flugplan hinterherzujagen ist keine Freude. Ein zusätzlicher Stressfaktor für die Piloten ist, dass man entschieden hat, die Maschine mit einer defekten Auxiliary Power Unit (APU), einer Art Hilfstriebwerk, das zum einen die initiale Energie liefert, die man braucht um die Triebwerke zu starten, zum anderen aber auch den Strom am Boden liefert, fliegen zu lassen. Eigentlich ist eine defekte APU kein Beinbruch und ich bin selbst schon oft mit einem solchen Defekt unterwegs gewesen. An Flughäfen gibt es Bodenstromaggregate, die die APU ersetzen. Also alles gut. Allerdings ist der Flughafen von Dryden so klein, dass er an diesem Tag keine Bodenstromaggregate zur Verfügung stellen kann. Um überhaupt wieder starten zu können, müssen die Piloten eines der beiden Triebwerke während der gesamten Bodenzeit laufen lassen. Sie müssen betanken und Boarden während das Triebwerk läuft. Heute wäre ein solches Vorgehen verboten, damals war es akzeptabel. Für die Piloten, besonders für den Kapitän, bedeutet das an diesem Tag eine große Menge Extrastress.

In der Kabine geben Sonia und Katherine ihr Möglichstes, um diesen Stress vor den Gästen zu verbergen und den Unmut der Gäste hinsichtlich der Verspätung zu kompensieren. Während der Flieger in Dryden abgefertigt wird, schlägt das Wetter plötzlich um und es beginnt zu schneien. Der Stress wird größer, denn die Verspätung droht weiter anzuwachsen. Ich weiß gar nicht, ob Sonia Familie hat, auf die sie sich freut, Kinder, die auf sie warten, aber ich weiß, wie sehr man sich an solchen Tagen einen pünktlichen Feierabend wünscht.

Sicher möchte auch Kapitän Morwood nachhause und entscheidet, sich zu beeilen, die Türen zu schließen, und in Richtung Startbahn zu rollen. Was Kapitän Morwood übersieht, ist, dass die veränderte Wettersituation dazu geführt hat, dass sich Eis auf beiden Tragflächen gebildet hat. Fahrlässig, könnte man meinen. Aber wer von Euch hat nicht schon einmal im Stress etwas übersehen? Vielleicht passt auch Kapitän Morwoods mentales Modell nicht dazu, dass es Eis geben würde. Er weiß, dass es für ihn in Dryden keine Möglichkeit gibt, zu enteisen. Zum Enteisen ist nämlich ein Ausschalten beider Triebwerke notwendig, die er auf Grund der defekten APU und des fehlenden Bodenstromaggregates nicht wieder hätte starten können. Es wären also alle erst einmal in Dryden geblieben, bis ein entsprechendes Aggregat eingeflogen worden wäre. Dem alten Motto folgend “Es kann nicht sein was nicht sein darf!” spielt ihm an diesem Tag vielleicht sogar seine Wahrnehmung einen Streich. Ein sehr bekanntes Phänomen.

Allerdings gibt es andere, deren Wahrnehmung funktioniert und die das Eis sehen. Ein Gast spricht Katherine wegen des Eises an. Diese beruhigt den Gast, weil sie annimmt, dass die Tragflächen sich selbst enteisen. -Sehr dünnes Eis des gefährlichen Halbwissens! Es sind lediglich die Spitzen der Tragflächen, die beheizt werden und somit auch enteist werden können. Da hat sie wohl etwas verwechselt!

Sonia weiß es besser und ist sehr besorgt wegen des Eises, entscheidet sich aber, den Kapitän nicht anzusprechen.

So nehmen die Dinge ihren Lauf. Kapitän Morwood leitet im festen Vertrauen darauf, dass alles OK ist und sicher auch mit einer Menge Zeitdruck den Start ein. Zunächst hebt die Maschine ab, verliert dann aber wieder an Höhe und stürzt in den angrenzenden Wald. An diesem Tag verlieren 24 Menschen ihr Leben. -Darunter Sonias Kollegin, ihr Kapitän und ihr Erster Offizier, mit denen sie sicher kurze Zeit davon noch gemeinsam gegessen und gelacht hat. Meine Crew war immer viel mehr als nur das Team, mit dem ich arbeite. Man ist sich nah, vertraut sich und ist aufeinander angewiesen. Heute habe ich Kollegen, die ich sehr mag und schätze. In Uniform hatte ich eine Familie, die mich ganz so wie eine echte Familie manchmal ziemlich genervt hat, die mir aber immer ausgesprochen nah war. Sie zu verlieren? -Ich möchte mir nicht vorstellen, an Sonias Stelle zu sein…

Und was bleibt ist die Frage nach dem “Warum”

Im Nachhinein wurde Sonia gefragt, warum sie nichts gesagt habe. Ihre Erklärung ist ebenso nachvollziehbar, wie traurig. Sonia beschreibt, dass sie Angst davor hatte, es könnte sich rumsprechen, dass sie den Piloten in ihre Arbeit reinrede, den Kapitän kritisiere. Immerhin sei sie doch eigentlich diejenige, die für Tee und Kaffee verantwortlich sei. Sonia hatte Angst, dass sie daraufhin im Kreise der Kollegen weniger beliebt oder angesehen sein könnte, vielleicht sogar schlechtere Flugpläne bekäme.

Ich habe mich mehr als einmal gefragt, ob Sonia den Gedanken hatte, dass ihre Kollegen und all die anderen Menschen noch leben würden, wenn sie mutiger gewesen wäre, wenn sie die Verantwortung übernommen hätte, den Kapitän angesprochen hätte. Was sind schon Flugpläne? Sonia war mehr als einmal in meinen Gedanken präsent, wenn ich in meiner schicken blauen Uniform durchs Flugzeug gelaufen bin. Sie hält mir bis heute vor Augen, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, eine gutes Teammitglied, ein guter Follower zu sein. -Auch weil ich ihre Ängste als junge Frau so gut verstehen kann. Auch ich wollte besonders in meinen ersten Jahren auf Reisen vor allem eines: dazugehören! Vielleicht habt Ihr ja auch schon einmal geschwiegen, geschwiegen aus Angst zum Außenseiter zu werden, nicht mehr gemocht zu werden. Menschlich nachvollziehbar. Aber ist es auch verantwortungsvoll?

Natürlich braucht es eine Kultur, die es uns ermöglicht, Verantwortung zu übernehmen. Es braucht Führung auf allen Ebenen, die Rahmenbedingung schafft, die es ermöglichen, den Mund aufzumachen, zu sprechen, kritisch sein zu dürfen. Daran arbeite ich mit Führungskräften in allen Bereichen und auf allen Ebenen. Denn ebenso wie Kapitän Morwood an diesem Tag sein Team gebraucht hätte um eine bessere Entscheidung zu treffen, sind alle Führungskräfte, die in einem dynamischen und komplexen Umfeld agieren, auf ihr Team angewiesen, um gute Entscheidungen zu treffen. Damit Menschen jedoch diesen Raum, der ihnen geboten wird, annehmen, muss ich auch mit den Teams arbeiten dürfen, so wie ich heute und morgen mit den jungen Flugbegleitern arbeiten darf. Es wird immer mehr Gründe geben, besser zu schweigen. Aber wir befinden uns nun mal in einer Welt, die zunehmend Eigenverantwortung auf allen Ebenen einfordert und es ist nur fair, wenn wir Menschen auf diese Verantwortung vorbereiten, sie sensibilisieren und ein Stück weit an die Hand nehmen.

Die Gedanken an Sonia nehme ich morgen sicher wieder mit in meinen Lehrsaal und ich hoffe, dass auch meine Teilnehmer noch ein wenig über Sonia nachgedacht haben. Denn ich bin nicht in der Lage ihnen Verantwortung beizubringen. Ich liefere lediglich das Gedankenfutter, das es braucht, um sich selbst kritisch zu hinterfragen und so zu wachsen.

Genieß Euren Sonntag!

Eure Constance

Geschichten aus der Flugzeug-Mottenkiste

Über Verantwortung und Followership

Wenn das Bessere tatsächlich zum Feind des Guten wird - Vom Change-Manager zum Konfetti-Kehrer

Was man so erzählt…

“Das Bessere ist der Feind des Guten!” -Klingt einleuchtend und wir hören ähnliche Aussagen immer wieder in unserer sich permanent verändernden Welt. Wie schnell ist so ein kluger Satz doch daher gesagt. Aber was bedeutet es, wenn das Bessere tatsächlich zum Feind des Guten erklärt wird? Betrachten wir uns das mal auf Organisationsebene, obgleich es ebenso Gültigkeit für Teamentwicklungen und sogar im Rahmen Deiner ganz individuellen Persönlichkeitsentwicklung hat. Wir sind also Teil einer Organisation. Im zitierten Satz steht das Gute metaphorisch für das Bisherige, die bisherige Zusammenarbeit, die bisherigen Ergebnisse. Wir stellen uns vor, dass dieses Bisherige, das Gute also, nicht schlecht war. Es war gut! Aus diesem Grund sind wir als Menschen in dieser Organisation im Prinzip mit dem Guten in einer positiven Verbindung, gegebenenfalls sogar in einer Allianz. Man könnte fast meinen, wir seien mit dem Guten befreundet. Nun kommt also mit viel Glamour, Glitzer und unter tosendem Beifall das Besser daher, das Neue. Konfetti fliegt! Es sieht ziemlich verlockend aus, verkündet jedoch breit grinsend: “Und ganz nebenbei, ich bin der Feind Eures Freundes, also quasi dann auch ein bisschen Euer Feind! Aber weil ich besser bin, möchte ich Euch bitten, mir ins Leben zu helfen.” Wie motiviert wärt Ihr in einer solchen Situation, dem Bessern tatsächlich in den Sattel zu helfen, es mit Leben zu füllen? -Wo es doch alles, was Ihr bisher geleistet habt, so konsequent zu seinem Feind erklärt. -Konfetti hin, Konfetti her…

Die Bedeutung der Veränderung ergründen

Was ist in unserem Beispiel passiert? Im Prinzip kam es durch dieses allseits beliebte Zitat zu einer Entwertung des Bisherigen, zu einer Entwertung der bisherigen Leistungen der Mitglieder der Organisation. Natürlich drückt das die intrinsische Motivation für die anstehende Veränderung ungemein und der Veränderungsprozess stagniert. Häufig setzten wir uns in Hinblick auf anstehende Veränderungen vor allem mit den Inhalten dieser Veränderungen auseinander. Wir erliegen dem Trugschluss, wenn der Inhalt ganz besonders toll glitzert, wird die Veränderung positive angenommen und gelingen. Das Zielbild muss eben inhaltlich nur schick genug sein. Es ist jedoch die Bedeutung der Veränderung, die letzten Endes entscheidend für die Umsetzung ist. -In unserem exemplarischen Fall wäre die Bedeutung in etwas folgendes: “Das was bisher war, war alles Käse. Erkennt also, dass Ihr bisher Blödsinn getrieben habt und schließt Euch dem Besseren an, das wird Euch schon zeigen, wie es geht!” Erkenne ich also das Bessere als solches an und setze es um, müsste ich mir gleichzeitig eingestehen, dass ich bisher auf dem Holzweg war. Tolle Bedeutung! Danke dafür. Ich befinde mich in einem Dilemma. Das Zielbild sieht vielleicht ganz gut aus, würde ich mich jedoch darauf einlassen, würde es bedeuten, dass ich bisher nicht gut (genug) war.

Diese Frage nach der Bedeutung bringt uns unweigerliche zu der weiterführenden Frage, wer diese Bedeutung gibt. Ich weiß, dass ich in den letzten Wochen Dr. Gunther Schmidt immer wieder zitiert habe. Was daran liegt, dass ich mich gerade in einer Weiterbildung befinde, in der er selbst und seine hypnosystemischen Ansätze sehr präsent sind. Ich fürchte, ich muss ihn auch an dieser Stelle wieder zu Rate ziehen. Dr. Gunther Schmidt würde die Frage, wer im Rahmen eines Veränderungsprozesses die Bedeutung gibt, ganz klar mit “der Sinnstifter” beantworten. Für Schmidt ist der Sinnstifter die machtvollste Person im Beratungssystem -Also der Chef.

Warum Berater die Leads als erstens ins Boot holen sollten

Nicht selten erlebe ich Führungskräfte, die das Etablierte, das Altbewährte in ihrem positiven Ansinnen Teams, Prozesse oder Organisationen weiterzuentwickeln, konsequent herabwürdigen. Das passiert in den aller wenigsten Situationen tatsächlich bewusst oder aus einer gefühlten Respektlosigkeit heraus. -Im Gegenteil. Häufig macht der Chef sich ausführlich Gedanken über eine Kommunikationsstrategie, die mitreißend wirkt, motivierend und positiv sein soll. Glitzernd, verführerisch, bunt, am besten mit einer Party zur Verkündung! Und ja, ich liebe Konfetti und Partys. -Allerdings nicht, wenn ich antreten soll, um das Konfetti wieder zusammen zu kehren. Hat von Euch schon mal jemand versucht, Konfetti zusammen zu kehren. Das ist ausgesprochen mühsam. Ebenso, wie es mühsam für mich als Coach und Berater ist, das Konfetti bunter Change-Kommunikationen wieder zusammen zu kehren. Ja, man kann auch Teams, die nach einer eben solchen Kommunikation in eine aus ihrer Sicht völlig nachvollziehbaren Verweigerungs- oder Enttäuschungshaltung geraten sind, wieder an Bord holen. Das funktioniert, dauert aber seine Zeit, hält auf und ist doch eigentlich nicht nötig.

Wer also keine Lust hat, Konfetti zu kehren, der sollte sich bereits im Vorfeld mit dem Sinnstifter seines jeweiligen Beratungssystems sehr intensiv auseinandersetzen. Im Idealfall habe ich die Möglichkeit, den relevanten Lead oder das relevante Leadership-Team bereits im Vorfeld abzuholen. Somit kann ich meinen Auftrag für mich gut im Vorfeld klären und gebe mir selbst innerhalb des Systems auch das Standing, das ich brauche. Zusätzlich habe ich vielleicht noch die Möglichkeit, die Leads dabei zu unterstützen, eine Kommunikationsstrategie zu wählen, die eine achtungsvolle Wertschätzung des Guten beinhaltet und das Bessere zum Freund des Guten erklärt. Das macht es doch für alles Seite viel einfacher.

Und was, wenn doch Konfetti gekehrt werden muss?

Natürlich sieht die Realität meistens so aus, als dass ich keinen Einfluss auf die Kommunikation der relevanten Leads habe, auch wenn ich natürlich unaufhörlich daran arbeite und inzwischen auch verdammt innovativ dabei geworden bin. Meistens muss ich eben doch Konfetti kehren. Meine wichtigste Erkenntnis der letzten zehn Monate ist jedoch, dass ich das allein nicht schaffe. Ich komme nicht umhin den Leads einen Besen in die Hand zu drücken. Wenn die achtungsvolle Wertschätzung der vergangenen Leistung nicht direkt im Rahmen der ersten Kommunikation von Veränderungsplänen erfolgt ist, ist es immanent wichtig, dass dies schleunigst nachgeholt wird. -Und zwar nicht vom Coach, sondern vom Sinnstifter.

Und was bleibt ist Abraham Maslow

Während ich mich also weiterhin wie Sisyphos mühsam, aber hoch motiviert in meinen Organisationen voran taste, ist es auch an dieser Stelle interessant, dass das, was immer wieder auftaucht, diese zutiefst menschlichen Grundbedürfnisse, wie sie Abraham Maslow seiner Zeit in einer Pyramide zusammengefasst hat, sind. Wir suchen nach Sicherheit, die wir häufig auch in den jeweiligen “Alphas” unserer Systeme zu finden hoffen. Ja, eine Aufgabe von Führung ist und bleibt, Sicherheit zu geben. Und Sicherheit gebe ich natürlich nicht, indem ich verkünde, dass das, was bisher gemacht oder geleistet wurde, Käse ist und deshalb alles anders werden muss. Selbst wenn ich parallel Konfetti werfe und Luftschlangen fliegen lasse. Die Message wird trotzdem klar sein. Nein, wir Menschen möchten hören, dass unsere Bemühungen der Vergangenheit wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Wir möchten Respekt für unsere bisherige Leistung. Das hat schon Maslow gewusst. Und ich weiß ganz sicher und erfahre immer wieder aufs Neue, dass von diesem Respekt auf der Seite der Sinnstifter ausgesprochen viel vorhanden ist, jedoch selten darüber gesprochen wird. So muss ich eigentlich nur Bühnen bauen, auf denen dieser Respekt auch verkündet werden kann! -Unglaublich einfach und doch so unfassbar schwer!

In diesem Sinne wünsche ich Dir jetzt einen schönen Sonntag und möchte mit der Frage beschließen, wie regelmäßig Du Dich in achtungsvoller Wertschätzung übst und den Respekt, den Du für die Menschen um Dich herum empfindest, auch kommunizierst? Am Ende ist er der “Schmierstoff” unseres sozialen Miteinanders und ganz nebenbei ist auch eine Familie oder ein Freundeskreis ein System von Menschen, denen es ausgesprochen guttut, wenn ihre Grundbedürfnisse befriedigt werden.

Also auf geht’s: Wertschätzung üben!

Eure Constance

Change-Manager und Konfetti-Kehrer

Man tut was man kann und kann was man muss…

Der Fiebertraum vom Sinn - alles auf Anfang

Wir glauben Erfahrungen zu machen, aber Erfahrungen machen uns.
— Eugène Ionesco

Eine Reise in die Vergangenheit

Ich habe ja bereits in meinem letzten Blog davon berichtet, dass ich Euch dringend mit auf die Reise nehmen möchte, auf die mich meine fiebrigen Träume während meiner Corona-Infektion geschickt haben. Ich war selbst so erstaunt, dass ich mir alles schnell notiert habe, als ich wieder halbwegs fit war.

Ich lag also bei 40 Grad Außentemperatur und 39,5 Grad Fieber unter meiner dicken Daunendecke. Ich starrte die Wand an. Den Hund hatte ich als Wärmflasche dabei. Und plötzlich gingen meine Gedanken auf die Reise, zurück zu meinen Wurzeln, zu zwei besonderen Sehnsuchtsorten, an denen ich Erfahrungen gemacht habe, die mich und meinen ungewöhnlichen Weg stark geprägt haben. Es waren Momente, die ich selbst tief in meiner Erinnerung vergraben habe und die das Fieber plötzlich wieder nach oben gespült hat.

Der Zauber der grünen Insel

So lange ich denken kann, habe ich davon geträumt, zu reisen, die Welt in allen ihren bunten Farben zu erleben, Menschen und Kulturen kennenzulernen und alles das ganz tief in mich aufzusaugen. Kein Wunder, dass ich bei einer Airline gestrandet bin und 21 lange Jahre die Finger nicht von fliegen lassen konnte! Dabei gab es immer zwei Orte, die auf ganz besondere Weise an meiner Sehnsucht und an meinem Fernweh angedockt haben. Der eine etwas erreichbarer als der andere. -Damals, als Teenager. Ich weiß nicht warum, aber seit meiner Teenagerzeit hat es mir die grüne Insel angetan. Ich hasse Regen! Aber ich musste einfach nach Irland. Und wenn ich etwas wollte, konnte ich recht kreativ werden, um es zu erreichen. Geld hatte ich keines, aber zwei gesunde und fleißige Hände und so habe ich meine Sommerferien zwischen der 11. und 12., sowie zwischen der 12. und 13. Klasse in Irland verbracht. Im ersten Sommer habe ich in einem Hotel gekellnert und im zweiten Sommer in einem Pub hinterm Tresen gestanden. Es war eine wilde Zeit, werte Lesende, auf die ich nicht genauer eingehen möchte…

Nach meinem Abitur hat es mich natürlich wieder in die Ferne gezogen und da ich Irland mochte, habe ich meinen Rucksack gepackt und mich erstmal gen Norden aufgemacht, obwohl mein eigentliches Ziel in völlig entgegengesetzter Richtung lag.

Mein Fiebertraum hat mich wieder zurück in diese Zeit nach meinem Abi katapultiert. Ich fand mich in diesem alten hölzernen Schaukelstuhl in der Aille River Hostel in Doolin wieder, tief im irischen Westen. Draußen prasselte der Regen, drin das Feuer im Kamin. In meiner Hand hatte ich eine Blechtasse mit Tee. Den gab es im Hostel kostenlos und ich war ja quasi ohne Geld unterwegs. Ich trank damals sehr viel kostenlosen Tee.

Irischer Sommer: Ich war durchgefroren und auch ein wenig nass, da ich vorher an den benachbarten Cliffs of Moher war. Diese imposanten Steilklippen haben bei Regen einen ganz speziellen Charme. Ich stand fast allein am Rand der Klippen. Es war ein Ort, an dem die Welt einerseits aufzuhören schien, andererseits schien es jedoch so, als läge hier die ganze Welt erst vor mir. Der Horizont war unendlich. Damals, mit 19, war das ein unbeschreibliches Gefühl von Grenzenlosigkeit und Möglichkeiten. Die Möwen schrien, das Meer tobte und der Himmel war unglaublich wild. Ich weiß nicht, wie lang ich mich meinen Gedanken hingegeben habe. Sicher viel länger, als ich es mir heute gönnen würde. Damals hatte ich Zeit! Irgendwann war es dann jedoch der Regen, der mich zurück nach Doolin trampen ließ.

Als ich das Hostel betrat, wollte ich eigentlich heiß duschen, aber im Gemeinschaftraum saß eine illustre Gesellschaft Reisender, mit denen ich schon in den letzten Tagen immer wieder das Leben rauf und runter diskutiert habe. Also machte ich mir einen Tee und setzte mich dazu. In meinem Fiebertraum konnte ich den Tee, die Feuchtigkeit und das Torffeuer riechen. Ich konnte spüren, wie ich mir die Hände vorsichtig an der Tasse wärmte und langsam hin und her schaukelte. Dabei knarrte der alte Schaukelstuhl ganz leise und rhythmisch.

Wir kamen von überall her. Wir waren so bunt und unterschiedlich und wir hatte alle so unglaublich viel Lust auf das Leben.

Einer stach aus der Truppe heraus. Die graue Eminenz! Ein Amerikaner, Andrew. Er war schon ziemlich alt, Mitte dreißig (also knapp zehn Jahre jünger als ich heute!). Andrew wollte wissen, ob ich ein bestimmtes Ziel hatte. -Wo ich hinreisen möchte? Oder ob ich mich einfach treiben lassen würde? - So wie er seit 15 (!) Jahren.

Der Traum von Afrika

Ich hatte ein Ziel! Natürlich hatte ich ein Ziel! Ich habe immer ein Ziel. Seit ich Kind war, hatte ich dieses Ziel, das viel zu lange viel zu unerreichbar schien! Aber nun sollte es an der Zeit sein: Ich wollte nach Afrika. Die unendlichen Weiten, die imposante Landschaft, Wüsten, Flussdeltas, Sumpfland, Steppen, der Busch! Und all die Tiere und die Menschen. Die Farben! Afrika war für mich der Inbegriff von Magie.

Eine junge Kanadierin, Marissa Atos (oder so ähnlich), hörte uns zu und fragte schließlich, ob das nicht ganz schön gefährlich sei, also in Afrika als Frau, allein. Ich kam nicht dazu zu antworten. Es war Andrew, der lächelnd das Wort ergriff und erklärte, dass die gefährlichste Begegnung, die man auf einer solchen Reise haben könne, die mit sich selbst sei. Sich selbst in allen seinen Farben zu sehen, sei der größte Wahnsinn, der einem im Leben passieren könne. Marissa und ich fragten nicht weiter nach. Ich hatte keine Ahnung, was er meinte, aber die beiden Sätze haben sich in mein Gedächtnis gebrannt, wie als ob meine Seele schon viel mehr wusste, als mein 19-jähriges Ich verstehen konnte.

Als der Regen weniger wurde, machten wir uns alle gemeinsam auf den Weg ins benachbarte Pub, Fitzpatrick’s, tranken Guinness mit schwarzem Johannisbeersirup, lachten, hörten der Musik zu, sangen mit und genossen den Moment. Spät abends, als wir wieder zurück im Hostel waren, schrieb Andrew mir noch einen Spruch in mein Reise-Poesiealbum: “Two roads emerged from the woods. I took the one less travelled by. That made the difference.” Ich hatte damals keine Ahnung, dass Andrew meine Zukunft in nur drei Sätzen weissagen würde. Aber ich fand ihn cool, diesen Spruch.

Zeitsprung, denn der Fiebertraum macht es möglich

Im wirklichen Leben dauerte es nach diesem Abend an der wilden irischen Westküste noch eine Weile, bis ich schließlich in Afrika war. Mein Fiebertraum ermöglichte mir einen Zeitsprung. Was ich im Busch gesucht habe, habe ich schließlich und wider aller Erwartungen in einer lauten, bunten, wilden afrikanischen Metropole gefunden.

In meinem Traum fand ich mich in einem “Black Taxi”, einem Sammeltaxi mit dem vorzugsweise die farbigen und schwarzen Südafrikaner unterwegs waren, wieder. Ich reiste noch immer mit sehr kleinem Budget! Es war eng, sehr laut und stickig und trotzdem war es einer der magischsten Momente meines Lebens, als der De Waal Drive um eine langgezogene Kurve führte und plötzlich Kapstadt in all seiner Pracht vor mir lag. Links von mir thronten majestätisch der Devil’s Peak und der Tafelberg. Weiter weg konnte ich den Signal Hill erkennen. Waren das da tatsächlich grasende Antilopen? Ich war wie verzaubert und spürte trotz dieser Enge im Taxi eine riesige Weite. Rechts vor mir lag die Stadt, so wunderschön. In der Table Bay glitzerte das Wasser und Robben Island lag in der Ferne. Der Himmel war strahlend blau und ich war sprachlos. Das war er, der Ort, den ich so sehr gesucht habe. Ich glaube es war schon dieser flüchtige Moment, dieser erste Eindruck, der dazu führte, dass ich in den nächsten Jahren mein Leben darauf ausgerichtet habe, mehr Zeit in Kapstadt als in Deutschland zu verbringen. Es waren drei ausgesprochen lebendige und bunte Jahre. Dieser Schmelztiegel am Ende der Welt hat mich in seinen Bann gezogen und ich habe das Leben Schritt für Schritt aus anderen Augen sehen können.

Lange konnte ich nicht in dieser Situation verweilen. Mein Traum katapultierte mich direkt weiter.

Irgendwann, vielleicht nach ein oder zwei Jahren in Kapstadt ist es nämlich passiert; der Moment, von dem Andrew gesprochen hat, der Moment, an dem ich mich für einige Sekunden in allen meinen Farben sehen konnte. Eine wirklich gefährliche Begegnung, zu der mich meine fiebrigen Gedanken zurückgeführt haben. Es war in Camps Bay, einem Stadtteil von Kapstadt mit einer großartigen Strandpromenade mit Palmen, Restaurants und Bars, ein bisschen wie Miami! Der Strand war links und rechts von großen, abgerundeten, hellgrauen Felsen eingerahmt, die weit ins Meer führten, wie Brücken ins Nirgendwo. Die Sonne war am Untergehen und tauchte die Szenerie in ein fast unwirkliches Licht. Ich bin ganz bis ans Ende der Felsen geklettert, saß da und schaute aufs Meer hinaus, das sanft und rhythmisch rauschte. In der Ferne hörte ich Musik und Lachen. Es roch nach Salz und Sommer. Keine Ahnung, was dann passierte, aber plötzlich war da dieser Moment, in dem ich mich selbst dort sitzen sah. Nur ich, ich selbst, echt und ungeschönt, unverstellt und authentisch. Ich sah eine junge Frau mit unendlicher Neugier und Energie, mit unglaublicher innerer Stärke, Mut und Kreativität. Ich saß da in meiner hellblauen Cargo-Hose und dem beigen Sonnentop und mir gefiel extrem was ich sah. Der Fels unter mir war herrlich warm und der Wind wehte sanft. Vielleicht war das der einzige Moment in meinem Leben, in dem ich noch nicht einmal einen Hauch von Selbstzweifeln empfunden habe. Unglaublich gefährlich, denn plötzlich dachte ich, dass für mich einfach alles möglich war. Eine ganze Welt voller Möglichkeiten stand mir offen.

Wahrscheinlich ist das Unterbewusstsein ziemlich klug

Irgendwann war das Fieber weg und ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, warum mein Unterbewusstsein mir ausgerechnet diese Momente hochgespült hat. Es wollte mich wohl an etwas erinnern, dass ich im Alltagswahnsinn vergessen habe: Ich bin noch immer neugierig, voller Energie, ich bin stark, mutig und kreativ. Aber vor allem liegt vor mir eine ganze Welt voller Möglichkeiten. Ja, ich bin älter geworden, aber ich bin noch immer ich und vielleicht wollte mich mein Fiebertraum auch an all die ungewöhnlichen Wege erinnern, die ich bislang noch nicht beschritten habe, von denen ich aber tief in mir schon lange träume. Ganz so wie ich sehr lange von Afrika geträumt habe.

Denn so wie es war, wird es nie mehr sein…

… und so wie es ist wird es ganz bestimmt nicht bleiben. So vergingen die Jahre. Nichts ist so Gewiss wie der Wandel. Während sich alles um mich herum verändert hat, bin ich selbst zur wichtigsten Konstante in meinem Leben geworden. Afrika trage ich in meinem Herzen und habe es doch auch ein Stück weit hinter mir gelassen. Jahrelang war ich immer wieder in Urlaub dort. Noch immer ist Kapstadt die zauberhafteste Stadt der Welt, nur mein Seelenort ist Kapstadt irgendwie nicht mehr. Es war nicht der Ort, es waren die Menschen, die mich echt sein ließen, die es mir erlaubten, mich selbst zu finden.

Jürgen, Rolz, Shane und Elias halten noch immer die Stellung in Kapstadt, Vee ist in Texas, Mel in New Orleans, Saul ist in Neuseeland, Tracey ist schon lange tot - scheiß Krebs - , Cass ist in Qatar, Paul ist in London, Sylvia lebt in Amsterdam, Ivan ist verloren gegangen, James hat sein Glück in Australien gefunden, Svenja habe ich aus den Augen verloren, Delme hat Corona nicht überlebt, Arthur ist mal hier, mal da, Tim scheint auf einem anderen Planeten zu sein, Bronie passt aufs Zebra Crossing auf, Avril wandelt auf den Weltmeeren, Philippe ist irgendwo in Belgien... Ich bin zurück zuhause und trage sie alle in meinem Herzen. Das, was ich in den entlegensten Ecken diese Welt gesucht habe, habe ich schließlich tief in mir gefunden.

So stehe ich heute also wieder da, an den Klippen meiner Gedanken, am Meer meiner Träume und eine ganze Welt voller Möglichkeiten liegt vor mir. Natürlich riecht der Wind nach Veränderung… Und ja, ich habe ein Ziel! Ich habe immer ein Ziel! Eines das viel zu lange unerreichbar schien. Aber vielleicht ist es nun an der Zeit.

Genießt Euren Sonntag, den Moment und das Leben.

Eure Constance

Seelenort

Two roads emerged from the woods. I took the one less travelled by. That made the difference.