Gesellschaft

Changing Flight Levels - Die Stewardess die die Welt verändern wollte

Ein Jahr danach…

Nun hätte ich also die Luftfahrt verlassen und müsse mich noch immer mit den gleichen Themen beschäftigen. -Ob das nicht langweilig sei, fragte mich Anfang dieser Woche eine Führungskraft, als wir die ein oder andere „kulturgestaltende“ Maßnahmen für seinen Bereich planten. Ich musste lächeln, denn genau das war doch mein Plan, mein Traum seit Jahren: Raus in die Welt zu gehen und alles das, was mir die Luftfahrt in Hinblick auf den Faktor Mensch und High Performance Teams beigebracht hat, zu teilen. Und was soll ich sagen? Es funktioniert ganz ausgezeichnet!

Aber lasst mich mal von vorne anfangen, denn die Zeit verging wie im Flug. So musste ich feststellen, dass es schon ein Jahr her ist, dass ich die für mich so große Entscheidung getroffen habe, die Luftfahrt nach 21 Jahren zu verlassen. -Nicht wegen Corona oder weil ich keine Lust mehr auf Flugzeuge hatte, sondern weil da schon so lange dieser Traum existiert, der nicht geringer ist, als die (Business-) Welt zu verändern. Dass ich mich trotzdem gefühlt täglich mit dem Thema Flight Levels beschäftigen würde, war mir damals noch nicht klar, war mein agiles Wissen doch noch ausbaufähig. Aber das ist ein anderes Thema. Denn vor dem Neubeginn stand ja zunächst der Abschied. -Der tränenreiche Abschied! Diejenigen von euch, die mir auf den sozialen Medien folgen, konnten in den letzten beiden Wochen meine Abschieds-Blogs nochmals lesen. Die Frage, die darauf immer wieder aufkam, war ob ich es denn bereut habe. Die Antwort ist klar und deutlich: Nein! Zu keiner Sekunde!

“Two roads emerged for the woods. I took the one less travelled by and that made the difference…“

Das schrieb mir mit neunzehn oder zwanzig eine Backpacker-Bekanntschaft in mein Reise-Poesiealbum. Mit zwanzig findet man das einfach nur cool und irgendwie progressiv. Dass dieser kluge Satz tatsächlich eine Art Prophezeiung sein würde, war mir damals nicht wirklich klar, auch wenn ich natürlich immer anders sein wollte, also mit Anfang zwanzig! Es folgte eine Phase in der ich nach Menschen gesucht habe, die so sind wie ich, damit ich eben nicht mehr anders bin. Interessanterweise habe ich parallel dazu erzählt, wie wichtig Diversität doch sei. Verrückt, oder?

Als ich mich entschieden hatte von der Luftfahrt in die Bankenwelt zu wechseln, war mir natürlich total klar, dass ich vom ersten Tag an anders sein würde, als jeder andere dort. Mein Werdegang und das Paket, das ich mitbringe, würde absolut einzigartig sein und selbstverständlich habe ich mich mehr als einmal gefragt ob das denn passen könne. Nun neigt sich mein erstes von zwei Jahren dem Ende zu und ich finde es passt perfekt. Es „menschelt“ einfach überall gleich und es ist, wie ich es mir erhofft habe: Alles das, was ich in meiner Zeit in der Luftfahrt in Hinblick auf den Faktor Mensch lernen durfte, passt perfekt in meine neue Welt. De Facto mache ich mir gerade fast Sorgen, dass mir ein weiteres Jahr nicht ausreicht, um all das da zu lassen, was aus meiner Sicht einen Mehrwert darstellen kann. Und parallel dazu gibt es so viel zu lernen.

Denn Coaches brauchen natürlich einen Purpose

So wirble ich also durch mein neues Leben, mit viel Motivation, Freude und vor allem auch Dankbarkeit dafür, dass ich in einem Umfeld bin, in dem ich mich ausprobieren darf. Das ist zum einen sehr befreiend, zum anderen sorgt es dafür, dass ich gefühlt täglich dazulerne. Auf diese Weise konnte ich mich auch inhaltlich gut an meinen neuen Job herantasten, um inzwischen einen verdammt klaren Plan im Kopf zu haben. Überraschung! Mein Thema ist Feedback-Kultur gepaart mit Psychological Safety und bewusster Selbstführung. In kleinen Schritten darf ich also Kultur gestalten, die Zusammenarbeit in Organisationseinheiten von 60 bis zu 500 Kollegen Schritt für Schritt hin zur Kultur einer lernenden Organisation führen! -Und ich habe noch ein ganzes weiteres Jahr Zeit! Ein weiteres Jahr um mich auszuprobieren, zu lernen, zu wachsen und das zu tun, was mich tief in meinem innersten antreibt. Ja, natürlich haben viele Coaches, gerade im agilen Umfeld, einen Purpose, eine Bedeutung, ein Ziel, eine Bestimmung, die wir uns geben. Meinen Purpose habe ich schon sehr lange, aber ich habe ihn bis heute noch nie geteilt, weil ich immer Sorge hatte, man könnte mich für größenwahnsinnig halten. Denn mein Purpose ist kein geringerer, als die (Business-) Welt zu verändern! „Ich verändere die Welt“ postuliert meine innere Stimme. Vor einem Jahr war mir klar, dass ich die Welt nicht verändern kann, wenn ich weiter im Korsett meiner alten Welt gefangen bin. Ich wollte die Welt verändern, indem ich meinen Beitrag dazu leiste, holistische Unternehmenskulturen zu schaffen, geprägt von einem achtsamen Miteinander, denn ich bin davon überzeugt, dass das der einzig wahre Weg zu echter High Performance ist. Der zauberhafte Nebeneffekt ist, dass Menschen glücklicher, zufriedener, ausgeglichener sind. -Meine Art die Welt zu verändern, für eine Hand voll Menschen, in winzig kleinen Schritten! Dabei wurden mir meine wunderschönen “Flugzeugschuhe” irgendwie zu klein.

Mit den Erfolgen kommt der Mut. Mit dem Mut werden die Träume größer.

Zu merken, dass mein Weg, mein Ansatz auch außerhalb der Luftfahrt nicht nur funktioniert, sondern sogar begeistert und auf offene Ohren und Gemüter stößt, macht mich von Tag zu Tag mutiger und gibt meinen Träumen weitere Flügel. Momentan träume ich von einer Mischung aus Konferenz und Bar-Camp unter dem Arbeitstitel „Luftfahrt meets Business - der Mensch als Schlüssel zum Erfolg nach dem Vorbild des Human Factors Trainings in der Luftfahrt“. Ich weiß, der Titel ist viel zu lang! Vielleicht hat ja jemand von euch eine zündende Idee. Inhaltlich wird es super, auch weil ich ein unglaubliches Team toller Frauen dafür begeistern konnte, mitzumachen. Und es gibt noch ein zweites zartes Pflänzchen, das vorsichtig sein Köpfchen aus der Erde streckt: Das Leben hat mir die Möglichkeit vor die Füße gespült, meine Schulungsansätze aus der Luftfahrt für die Business-Welt im Rahmen eines Vortrags mit Master-Studenten im Bereich Talent and Learning zu teilen! Wie kann man die Welt nachhaltiger verändern, als der nächsten Generation eine anständige Portion „Food for Thought“ mitzugeben. Bin ich doch fest davon überzeugt, dass meine Generation lediglich den ersten Schritt in Richtung einer wirklich neuen Welt der Zusammenarbeit macht. Die fundamentalen Veränderungen, auch auf gesellschaftlicher Ebene, stehen uns noch bevor und werden von diesen jungen Menschen getragen, denen ich meine Gedanken mitgeben darf. Welche Ehre!

Ja, es haben wohl tatsächlich zwei Pfade aus diesem Wald geführt und ich habe mich für den weniger ausgetretenen entschieden und das macht mich besonders. Es macht den Unterschied. Mein ungewöhnlicher und in weiten Teilen vielleicht auch steinigerer Weg hat mir Perspektiven geschenkt, die einzigartig sind und die mich einzigartig machen. „Jemand anderes sein zu wollen ist eine Verschwendung deiner Persönlichkeit“ sagte Kurt Cobain und er hat recht! Als ich selbst bin ich am besten! Und die letzten zwölf Monate haben mir sehr intensiv dabei geholfen, herauszufinden, wer ich bin und worin ich am besten sein kann. Allein aus diesem Grund habe ich meine Entscheidung nicht bereut. Ich fliege jetzt eben auf einem anderen Flight Level! Und wenn es zu turbulent wird, wechsle ich einfach das Flight Level… Für den Moment bin ich angekommen und das fühlt sich toll an.

Und was die Zukunft bringt…

Keine Ahnung! Klar habe ich zumindest für die nächsten zwölf Monate einen Plan. Allerdings bin ich mir auch bewusst, dass ich in etwa acht Monaten damit anfangen werde, mich beruflich neu auszurichten. Ende nächsten Jahres läuft mein Vertrag mit der ING aus und Stand jetzt habe ich tausend Ideen, aber keinen Plan, wie ich danach weitermachen möchte, oder wer denn überhaupt Lust auf mich hat, auf einen Quereinsteiger in so ziemlich jedem Kontext. Wahrscheinlich schreibe ich euch in einem Jahr einen Blog, in dem ich euch davon berichten werde, wie schwer mir der Abschied von der ING fällt, wie aufgeregt ich hinsichtlich meines neuen Jobs bin, wie oft ich mich fragen werde, ob ich dem Neuen gewachsen sein werde und so weiter und so fort… Mein Leben ist Wandel und alles ist in einer stetigen Veränderung begriffen. Das war ehrlicherweise schon immer so. Der einzige Unterschied ist, dass ich mich entschieden habe, diese Veränderungen nun bewusst wahrzunehmen und zu gestalten. Charles Darwin hat einmal gesagt, dass es nicht die stärkste Spezies sei, die überlebe und auch nicht die intelligenteste. Es sei diejenige, die sich am ehesten an den Wandel anpasse. Challenge accepted! Her mit dem Wandel! Ich bin bereit für weitere steinige Pfade durch wilde Wälder, die mir weitere wertvolle Perspektiven liefern, die mich nicht nur als Coach und Berater, sondern auch als Mensch einzigartig machen.

Ich wünsche euch einen schönen Sonntag! Seid ihr selbst und genießt euch dabei! Alles andere wäre tatsächlich Verschwendung!

Eure Constance

“Two roads emerged from the woods. I took the one less travelled by and that made the difference.”

Wenn das gute alte Poesiealbum zur Weissagung wird!

Wie geht Kreativität? -Aus der Rubrik "Vom Gehirnbesitzer zum Gehirnbenutzer"

Für Laura

Was braucht es, um kreativ zu sein? Diese Frage stellt sich sicher jeder von Zeit zu Zeit. Laura stellt sie sich gerade wahrscheinlich sehr intensiv. Geht es doch darum, eine Hausarbeit fertig zu bekommen! Gut soll sie sein, kreativ soll sie sein und dann leuchtet auch noch diese Deadline inzwischen fast bedrohlich groß am Horizont. “Ich muss! Ich muss…!”, schallt es da durch den Kopf. Eine innere Stimme, die wir sicher alle nur zu gut kennen. Der innere Druck steigt und steigt, aber irgendwie will das Gehirn da partout nicht mitmachen. Der Kopf macht dicht, obwohl er doch muss! -Oder vielleicht sogar, weil er muss?

Mit steigendem Stresspegel schwindet der Verstand

Eigentlich ist es ja ein altbekanntes Phänomen: Je größer der Druck, desto mehr Stress, je mehr Stress, desto mehr Stresshormone toben durch den Körper und nicht nur durch den Körper, sondern auch durch das Gehirn, wo sie allerlei Unheil anrichten können. Diese verflixten Stresshormone - angefixt durch unser Angsthirn, die Amygdala, die all diesen Druck als konkrete Bedrohung wahrnimmt - sie flitzen durch unsere Großhirnrinde, jenen Teil unseres Gehirns, den wir für rationales Denken, aber auch für Kreativität brauchen, und legen ihn erstmal weitestgehend lahm. Psychologischen Nebel nannte die großartige Vera Birkenbihl diesen Zustand, der uns weit weg von jeder Form rational-kreativer Leistung katapultiert. Anstatt innezuhalten sagen wir uns nun für gewöhnlich “ich muss aber...”, was den Druck nur weiter steigert. Das wiederum führt dazu, dass die Amygdala noch lauter Alarm schlägt und eh wir uns versehen, sind wir in einem Teufelskreis, den wir noch nicht einmal wahrnehmen, weil unsere Großhirnrinde ja im Nebel steckt! Aussteigen wird schwer, zumal diese wilden Teufelskreise in unserer dynamischen und unüberschaubaren Welt allgegenwärtig zu sein scheinen. Wir müssen noch schnell dies und das, dabei ergibt sich noch jenes und wir sind so busy, dass wir keine Zeit haben, mal darüber nachzudenken, was wir denn eigentlich tun! “Eile mit Weile!”, hat meine Oma immer gesagt. Neuhochdeutsch heißt das jetzt wohl “Haste makes waste!”. Was passiert, wenn wir tief drin stecken im Nebel? Wir machen Fehler! Wenn es richtig dumm läuft, knallt es sogar! Doch anstatt langsamer zu fahren, aufmerksamer zu sein und die Nebelscheinwerfer einzuschalten, geben wir im Business-Umfeld lieber noch zusätzlich Gas! Der Mensch ist ganz sicher viel weniger klug, als es scheint!

Bewusste Entschleunigung zur anschließenden Beschleunigung

Guter Rat ist natürlich immer teuer und sich bewusst dazu zu entscheiden, langsamer zu machen wird meist auch seitens der Chefs nicht gerne gesehen. Trotzdem kann ich als Coach nur dazu ermuntern, diesen Weg zu gehen, sich dabei gegebenenfalls Unterstützung zu holen, oder sich selbst ein wenig zu zwingen. Meistens ist unser eigener innerer Schweinehund ohnehin viel gnadenloser, als es die gnadenlosesten und leistungsorientiertesten Chefs jemals sein könnten.

In der letzten Woche habe ich im Rahmen eines eintägigen Workshops eine Hand voll Kollegen mit sanften Druck dazu gebracht, mehr oder weniger freiwillig mal einen Tag aus diesem wilden Karussell auszusteigen und gemeinsam mit mir einen ganzen Tag der Selbstreflexion, dem Lernen und der Persönlichkeitsentwicklung zu widmen. Initial kam das so “so lala” an! Natürlich wurde schon eingangs erklärt, dass man sich sehr freuen würde, wenn es nicht so lange ginge. Einer der Teilnehmer war sogar so ehrlich zu sagen, dass er überlesen habe, dass das den ganzen Tag dauere, sonst hätte er sich nicht angemeldet (Anm. d. Red.: Immer auch das Kleingedruckte lesen!). Ob man das nicht auch in kleinen “Nuggets” verpacken könne, die man dann so nebenher machen könnte? -Wenn ein Tag so losgeht, ist das immer eine besondere Herausforderung für den Coach. So schaukelte ich mich mit meinen Teilnehmern zur ersten Kaffeepause, dann weiter zur Mittagspause. Die Stimmung wurde immer gelöster und ich bildete mir ein, dass meine Teilnehmer immer mehr bei der Sache waren. Ich konnte fast spüren wie sie aus dem Karussell ausgestiegen sind, innehielten, wenn auch nur für einen kleinen Moment. Am Ende das Tages habe ich um Feedback gebeten, vor allem auch in Hinblick darauf, was man weglassen könnte, denn es stehen noch weitere dieser Tage innerhalb eben dieser Organisation an. Die Antwort war erfreulich und vielleicht auch ein wenig erhofft: Nichts! Es war alles spannend und wichtig, auch die zeitintensiven Lernzielübungen um auch erfahrungsorientiert arbeiten zu können, wurden als ausgesprochen wertvoll empfunden. Man habe jetzt verstanden, warum der Workshop einen ganzen Tag dauern muss!

Wenn man etwas Neues lernen möchte, wenn man Verhaltensweisen ändern möchte, muss man für einen Moment innehalte, um dem Gehirn den notwendigen Raum und die notwendige Zeit zu geben. Klar hätte ich die Inhalte in kleine Nuggets packen können, lustige Häppchen für Nebenbei! Diese wären jedoch ganz sicher im Nirvana verpufft, weil der Stress des Alltages, der Druck, der allgegenwärtig ist, der Großhirnrinde die Möglichkeit genommen hätte, neue zarte Strukturen zu bilden, Neues zu verankern und sich dabei selbst zu reflektieren. Dann kann man es auch gleich sein lassen und seine Zeit als Coach sinnvoller investieren!

Wer Großes leisten will, Neues lernen, oder gar erfinden will, der muss dafür in der Lage sein, sein volles Potenzial auch nutzen zu können und wenn dieses volle Potenzial im dichten Nebel steckt, wird das unmöglich! Öfter mal Stopp sagen und innehalten, ruft hier nicht nur der Resilienz-Beauftragte, sondern auch der Coach, der Teams und ganze Organisationen in die schwindelerregenden Höhen der High Performance katapultieren soll! Die Festplatten eurer Computer habt ihr damals ja auch immer mal wieder defragmentiert, damit sie dann wieder schneller und geschmeidiger laufen. Gönnt das doch auch mal eurer eigenen Festplatte. Die ist nämlich noch nicht auf SSD-Standard!

Denn auch meine Festplatte muss mal wieder defragmentiert werden

Keine Sorge, noch nicht einmal Coaches wie ich kommen drumherum, auch ihren eigenen Gehirnen mal eine Pause zu gönnen. Ich habe letzten Sonntag tatsächlich zum ersten Mal seit einer ganzen Weile gemerkt, dass ich urlaubsreif bin, dass mein Kopf eine Pause braucht, um dann wieder top-kreativ zur Tat zu schreiten. Normalerweise freue ich mich sonntags immer schon auf montags. Ich arbeite tatsächlich ziemlich gerne. Letzten Sonntag, als ich abends auf der Coach saß, war da diese Stimme in meinem Kopf, die sich wünschte, es sei erst Samstag um sich einen Tag länger ausruhen zu können. Wie gut, dass ich nächsten Freitag meinen letzten Arbeitstag habe, um dann bis Ende des Monats Urlaub zu machen! Ja, diese letzte Woche wird es noch einmal in sich haben! Zwei Workshops und eine dicke, fette Großveranstaltung! Ich freue mich schon riesig, aber ich freue mich auch, danach dem Kopf eine Pause zu gönnen, um im November wieder durchzustarten. Es stehen spannende Dinge an, für die ich mein Gehirn, meinen Verstand und all meine Kreativität brauchen werde, um auch meinen ganz eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Aus diesem Grund wird auch mein Blog bis Anfang November pausieren. Die meisten kennen das ja schon aus der Vergangenheit: Wer mir auf den sozialen Medien folgt, bekommt natürlich auch weiterhin sonntags sein Gedankenfutter, allerdings in recycelter Form! -Quasi das Beste aus den letzten Jahren! Den Anfang macht nächsten Sonntag ein bisschen was zum Thema Terror, da sich schon sehr bald mal wieder die Erstürmung der Landshut in Mogadischu jährt. Danach gibt es dann zwei Wochen lang meine beiden vielleicht persönlichsten Blogs, eh ich wieder ganz neu kreativ werde!

Liebe Laura,

du siehst, du bist nicht allein im Nebel! Die Besten und Tollsten, die Professionellsten und Größten sind immer wieder da, wo du gerade bist. Und auch sie können alle nicht zaubern. Druck hilft nicht weiter. Vielmehr bedarf es Achtsamkeit und Wohlwollen, gerade auch mit sich selbst, um dem Gehirn die Möglichkeit zu geben, über sich hinaus zu wachsen. Ich weiß, Deadlines sind manchmal gnadenlos. Sie machen Angst und ihnen ist auch eine Grippe völlig egal. Aber du kannst nicht mehr als dein Bestes geben und dafür musst du eben auch Pausen machen, schlafen, spazieren gehen. Du musst die Sonne genießen und mit der Sonne das Leben! Denn genau das ist es, was dein Gehirn braucht, um sich dann wieder zu konzentrieren und um glücklich und zufrieden zu arbeiten. Es ist jetzt Samstag, 18:45 Uhr. Ich sitze an meinem Laptop und tippe diese Zeilen, hoffend dass du deinen inzwischen ausgeschalten hast. Morgen ist ein neuer Tag und du darfst deinem Kopf dann eine neue Chance geben. Was soll denn schon schief gehen? Entweder das Ergebnis wird als gut beurteilt, oder du hast eben deine erste Hausarbeit verhauen. Da kommen noch viele mehr und damit auch mehr Chance, um daraus zu lernen. Wenn du dein Bestes gegeben hast, darfst du trotzdem stolz auf dich sein, denn in diesem einem Leben, das wir haben, geht es nicht nur um Erfolg an der Uni oder später im Beruf! Was wirklich zählt, ist das Leben zu genießen und immer noch genügend Kapazitäten zu haben, um die Vögel singen zu hören…

Eure Constance

…They are in my head…

Denn es reicht nicht, ein Gehirn zu besitzen! Es ist hilfreich, es auch nutzen zu können!

Winterkorn und der Eisberg der Ignoranz

“Dass ich erkenne was die Welt im Innersten zusammen hält…”

Diese weisen Worte der allumfassenden Neugier legte dereinst Johann Wolfgang von Goethe seinem tragischen Helden Faust in den Mund. Denke ich darüber nach, warum ich Coach oder Berater oder wie auch immer man das nennen mag, geworden bin, ist es genau das! Zunächst wollte ich wissen, warum der Mensch so ist, wie er ist, warum es an allen Ecken und Enden menschelt, egal wie sehr wir uns bemühen, professionell zu sein. -Was auch immer das ist! Erste Antworten fand ich im Human Factors Training. -Erst als Teilnehmer, schließlich als Trainer. Meine Erkenntnisse waren jedoch nur in Teilen befriedigend. Eines ist ganz klar, der Mensch wurde für ein eindeutiges, wenig komplexes Umfeld gemacht und unsere schöne neue Welt stellt den Urmenschen in uns zuweilen vor fast unlösbare Herausforderungen. Tja, ein paar läppische Jahrtausende vermeidliche Zivilisation ist nichts im Vergleich zur Evolution als Ganzes. Aber gut, da unser Gehirn alles in allem am Ende ja doch halbwegs kooperativ ist, habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Menschheit sich hier noch etwas besser anpassen wird.

Darüber hinaus bin ich mit meiner Suche nach Erklärungen relativ schnell an meine Grenzen gestoßen. “No man is an island”, schrieb dereinst John Donne und genau das scheint das Problem und auch gleichzeitig die Lösung zu sein. Es liegt in der Natur des Menschen, sich in Gruppen zu organisieren, von je her. Es scheint das natürlichste überhaupt. Es gibt Stämme, Familien, Dörfer, Städte, Länder, Allianzen aus Ländern und natürlich auch Wirtschaftsorganisationen, also Gruppen von Menschen, die sich zusammengefunden haben, um gemeinsam besser oder erfolgreicher durchs Leben zu kommen. Diese Erkenntnis hat mich dazu bewogen, systemisch zu denken. Alles hängt zusammen und ich mag die Vorstellung, dass Organisationen eine Art lebendiger Organismus sind, der nur als Ganzes zu verstehen ist. Um zu verstehen, wie der Mensch funktioniert, muss ich verstehen in welchem System er sich bewegt. Um das System, oder die Organisation zu verstehen, muss ich wiederum den Menschen verstehen. Nicht dass ich meinen ganz persönlichen Stein der Weisen diesbezüglich schon gefunden hätte. Mit Nichten! Aber immerhin habe ich einen brauchbaren Ansatz für meine Suche.

Der Coach und die Organisation

So “studiere” ich nun seit Jahren alle möglichen Organisationsformen, angefangen von kleinen Teams, über ganze Abteilungen, bis hin zu kompletten Wirtschaftsorganisationen. Natürlich gibt es hier gewisse Gesetzmäßigkeiten. Eine Sache, die überall auftaucht, sind Hierarchien. Auch das scheint mir ein menschliches Grundbedürfnis zu sein. Diese Hierarchien sind sehr präsent und haben einen großen Einfluss auf den Erfolg oder den Misserfolg eines Teams. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal geschrieben haben, dass der Fisch für gewöhnlich immer vom Kopf her stinkt! Omas Sprüche sind und bleiben einfach wahr!

Eine Organisation, die über Jahre hinweg unfassbar erfolgreich gewesen zu sein scheint, war Volkswagen unter der Führung des großen Martin Winterkorn. Als Manager von altem Schlag hatte Winterkorn das Steuerrad fest in der Hand und navigierte den Konzern durch die unruhigsten Fahrwasser. Was es hierzu braucht, ist Entscheidungsfreudigkeit und natürlich auch die Fähigkeit, gute Entscheidungen zu treffen. Ich leite Gott lob keinen Weltkonzern, aber auch ich muss immer wieder Entscheidungen treffen und stelle an mir selbst fest, dass meine Entscheidungen besser werden, je mehr Fakten mir zur Verfügung stehen. Nun habe ich einen halbwegs passablen Überblick über meine kleine Organisation, die ich mein Leben nenne. Ich weiß nicht, wie gut Winterkorns Übersicht über seine Organisation, die wir alle unter dem Namen Volkswagen kennen, war. Irgendwo scheint der große Steuermann falsch abgebogen zu sein, ohne es zu merken. Der Erfolg seines Unternehmens stürzte plötzlich in sich zusammen, wie ein Kartenhaus. Ob Winterkorn überrascht war? Ich denke schon!

Über Macht und Verantwortung

Dieser Tage beginnt die gerichtliche Aufarbeitung der Causa Diesel-Gate. Die Topmanager müssen sich vor Gericht verantworten. Dem großen Steuermann Winterkorn ist es jedoch gelungen, einen OP-Termin günstig zu legen und sich dem Tamtam zunächst einmal zu entziehen. Wie ich das finde, dazu später mehr! Zum Glück ist das ja mein Blog und kein seriöser Journalismus. Dementsprechend fühle ich mich frei, meine Meinung zu teilen!

Was derartige Gerichtsverfahren klären sollen, ist die Schuld, oder die Verantwortung. Was mich ein wenig ärgert ist, dass Winterkorn offensichtlich keinerlei Verantwortung zu übernehmen gedenkt. Schuld seien seine Ingenieure, diese Kriminellen! Er habe ja noch nicht einmal etwas gewusst, oder geahnt. Welche Informationen genau in diesem legendären Aktenköfferchen gesteckt haben, das Winterkorn jeden Freitag mit Nachhause nahm, wissen wir nicht. Nehmen wir jedoch zu seinen Gunsten an, er habe tatsächlich nichts gewusst, ist er trotzdem verantwortlich?

Hier beginnt das systemische Denken. Ich spekuliere mal und unterstelle den verantwortlichen Ingenieuren einfach mal, dass sie nicht eines morgens aufgewacht sind, und auf dem Weg zur Arbeit plötzlich die Idee hatten, einmal etwas Illegales zu tun, weil das ja vielleicht cool sein könnte. Irgendetwas muss sie angetrieben haben. Böse Zungen behaupten, es sei die Unternehmenskultur gewesen, die keinen Widerspruch duldete. Geht nicht gab es nicht, sonst drohte Jobverlust! Als Winterkorn nun das aus einem technologischen Blick Unmögliche forderte, fühlten sich die Ingenieure derart unter Druck, dass sie aus Angst zu schummeln begannen. Erste Erfolge traten ein, keiner traute sich, die Umstände aufzuklären, die Eigendynamik wurde zu einer Lawine, die schließlich den großen Martin Winterkorn mit sich gerissen hat. Und ja, er war sicher überrascht. Er hatte es nicht kommen sehen. Er wusste von nichts! Und schuld an seiner Unwissenheit waren nicht die bösen Ingenieure, sondern die Unternehmenskultur, die der alte Herr als absoluter Alpha maßgeblich gestaltete.

Der Eisberg der Ignoranz

Bereits 1989 stellte Sydney Yoshida auf einem Symposium in Mexiko den sogenannten Eisberg der Ignoranz vor. Das spannende an Eisbergen ist sicher der Umstand, dass sie größtenteils im Verborgenen, unter der Wasseroberfläche, liegen. Yoshida hat beschrieben, dass dem Topmanagement für gewöhnlich nur etwa vier Prozent der zur Verfügung stehenden Fakten, bzw. der auf Arbeitsebene vorhandenen Problemen, bekannt sind. Der Rest liegt unter Wasser! Basierend auf diesen vier Prozent werden schließlich die großen strategischen Entscheidungen getroffen. Ganz ehrlich, das kann nicht gut gehen! Warum es die allermeisten Informationen nicht an die Spitze schaffen? Beantwortet es euch gerne selbst! Warum machen wir Dinge “chef-tauglich”? Das hat immer etwas mit der Unternehmenskultur zu tun, die maßgeblich von oben geprägt wird. In einem Klima der Unsicherheit, oder gar Angst, ziehe auch ich es vor zu schweigen, oder Probleme zu beschönigen! Man könnte meinen, dass dieser Umstand auch einem Herrn Winterkorn hätte bekannt sein können, zumal einige Jahre zuvor Nokia hieran fast zugrunde gegangen ist. Aber es schien ihm egal! Führung ohne Widerspruch ist einfach viel cooler und einfacher! So behaupte ich jetzt einfach ganz frech, dass Herr Winterkorn sich bewusst für den einfachen Weg entschieden hat. Kann man machen! Jeder Mensch ist frei in seiner Entscheidung. Ich finde jedoch auch, dass jeder die jeweiligen Konsequenzen tragen sollte. Das hat etwas mit eigenverantwortlichem Handeln zu tun! Und dass bei dem Schmerzensgeld, das ein VW Topmanager über die Jahre eingestrichen hat, die Fallhöhe eine andere ist, als bei einem einfachen Ingenieur, versteht sich vielleicht von allein. Natürlich möchte ich den Betrug dieser ausführenden Ingenieure keineswegs gutheißen, allerdings muss man in Betracht ziehen, dass sie vielleicht aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes keine andere Möglichkeit gesehen haben. “No man is an island!” Wir bewegen uns in einem komplexen System, das es uns manchmal leichter und manchmal eben schwerer macht. Für mich als Coach ist die primäre Aufgabe von Führung, es leichter zu machen! Ja, Führen ist unglaublich schwer. Ich finde es sogar beängstigend schwer! Strategische Entscheidungen zu treffen, die direkten Einfluss auf das Leben so vieler Menschen haben, ist der Wahnsinn. Müsste ich eine solchen Entscheidung treffen, würde ich sehr gerne alle Einflussfaktoren kennen, um bestmöglich agieren zu können. Ich würde mir wünschen, nicht alleine auf einem Eisberg zu sitzen. Ich würde an einer Kultur der Sicherheit, die die Harvard Professorin Amy C. Edmondson Psychological Safety nennt, arbeiten, hoffend, dass meine Mitarbeiter mir erzählen würde, was nicht läuft. Alles das, damit ich nicht irgendwann eine Überraschung erleben müsste, wie Martin Winterkorn, oder vor ihm Olli-Pakka Kallasvou, der unglückliche und ausgesprochen dominante Nokia-Boss, der nicht gemerkt hat, wie sein Unternehmen langsam zu Grunde ging, weil ihm alle aus Unsicherheit und Angst erzählten, dass alles selbstverständlich gut laufe!

Liebe Führungskräfte, fordert eure Leute heraus, seid kritisch und klar, aber gebt ihnen Gleichzeit das Gefühl, vertrauen zu können, offen sprechen zu dürfen, macht sie mutig und setzt euch mit ihnen auseinander, auch wenn diese “andere Art” der Führung leichter zu sein scheint. Ihr braucht die Augen und Ohren eurer Kollegen auf Arbeitsebene, um wirklich gute (strategische) Entscheidungen treffen zu können!

Was bleibt ist die Frage nach der Schuld…

Noch vor einigen Wochen sagte ich, wann immer man mal wieder auf der Suche danach war, wer denn Schuld habe, dass Schuld ein Ort in der Eifel sei… Alter Mediatoren-Witz! Das ist überholt und unangemessen geworden. Aber es bleibt dabei, dass es nicht um Schuld geht, sondern um Verantwortung! Ich bin kein Jurist, aber ich glaube, dass der Hauptgrund, warum Menschen, die die Karriereleiter immer weiter nach oben klettern, ihr zusätzliche Gehalt dafür bekommen, dass sie ein immer größeres Maß an Verantwortung tragen. Und das finde ich völlig gerechtfertigt. Es ärgert mich jedoch, wenn diese Damen und Herren an den Punkt kommen, an dem sie Verantwortung mit Macht verwechseln. In meiner Welt, in meiner inneren Ordnung von Moral und Ethik, wäre es eine Katastrophe, wenn ein Herr Winterkorn unbehelligt davonkommt, auch weil das ein fatales Zeichen für all diese ambitionierten Jung-Manager senden würde. Ich würde mich in tiefstem Respekt verneigen, würde Martin Winterkorn erklären, vollumfänglich verantwortlich zu sein und schließlich die Konsequenzen für sein Handeln tragen. Man kann nicht nur vom System profitieren und sich, wenn es eng wird, hinter Unwissenheit verstecken! -Also wenigstens nicht in meiner Welt! Aber wer bin ich schon und was weiß ich schon! Selbst Faust stellte fest, dass er nun hier stehe, er, armer Thor und sei dabei so klug als wie zu vor… Und wahrscheinlich muss auch ich noch sehr viel lernen, über Menschen, Systeme und Organisationen, eh ich wirklich anfange zu verstehen. Zum Glück kann ich heute damit beginnen!

Ich wünsche euch einen schönen Sonntag! Vergesst nicht, wählen zu gehen, auch wenn das für den ein oder anderen sicher keine einfache Entscheidung sein wird.

Eure Constance

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Die Spitze des Eisbergs

Wie man ein Pferd reitet, ohne zu merken, dass es bereits tot ist…