Warum High Performance Teams besonders viele Fehler machen

Und wöchentlich Grüße das Murmeltier… Immer wieder High Performance

Ich weiß, schon in der letzten Woche ging es um High Performance… und diese Woche schon wieder! Nicht besonders innovativ. Aber das Thema High Performance lässt mich einfach nicht mehr los, ist es doch jetzt mein Job, die Teams, die sich mir anvertrauen, auf ihrem Weg von guten Performern zu High Performern zu begleiten, Impulse zu setzen und mit Rat und manchmal auch Tat zur Seite zu stehen. Und ganz unter uns, hierbei ist guter Rat manchmal wirklich teuer. Was ist er denn nun, der sagenumwobene Unterscheid zwischen uns “Normalos” und diesen Überfliegern, diesen Teams, die außergewöhnlich innovativ und leistungsstark sind? Einige Faktoren habe ich in den letzten Wochen und Monaten ja immer wieder beleuchtet. Erst in der letzten Woche ging es um Führung in High Performance Teams und auch mein letzter Blog zum Thema Feedback ist noch nicht allzu lange her. Ja, es gibt sie, diese Zutatenliste für High Performance und die allermeisten Punkte sind ausgesprochen einleuchtend und machen auch für Nicht-Psychologen und Nicht-Forscher Sinn. Hier und da stoße ich aber auch auf Statements, die mich durchaus überraschen.

Auf meiner Suche nach High Performance nutze ich immer wieder gerne eine Hand voll Quellen. Eine davon ist die Harvard Professorin Amy C. Edmondson, die sich bereits seit ihrem eigenen Studium damit beschäftigt hat, was Organisationen brauchen, um besonders erfolgreich zu sein. Als sich Amy schließlich auf die Suche nach einem Thema für ihre Doktorarbeit machte, führte sie ihr Weg zunächst ins Krankenhaus. Sie wurde Teil eines Forschungsteams, das medizinische Fehler in Krankenhäusern untersuchte. Zunächst ging es ihr darum, Erfahrungen zu sammeln, wie es Organisationen in einer zunehmend herausfordernden und schnelllebigen Welt gelingt, erfolgreich zu sein. Besonders die Idee, aus Fehlern zu lernen, um die eigene Leistung stetig zu verbessern, trieb die damals junge Doktorandin an.

Wie eine zufällige Entdeckung zum lebenslangen Forschungsprojekt wurde

Zu Beginn der Studie war Amys durchaus einleuchtende These, dass das effektivste und erfolgreichste Team auch die wenigsten Fehler macht. Es wurde eine Matrix entwickelt, die die Fehlerquote pro 1000 Patiententage darstellt und dann wurden für einen Zeitraum von sechs Monaten Daten gesammelt. Nach diesen sechs Monaten stellte Edmondson tatsächlich fest, dass es eine statistisch signifikante Korrelation zwischen der Effektivität eines Teams und dessen Fehlerrate gab. Allerdings kam unserer Forscherin das Ergebnis irgendwie falschherum vor… Es waren nicht die effektivsten Teams, die die wenigsten Fehler machen. Das Gegenteil war der Fall. Tatsächlich machten die effektivsten Teams sogar die meisten Fehler. Wie frustrierend, verwirrend und unfassbar muss sich das für eine junge Doktorandin anfühlen, wenn nach einem halben Jahr intensiver Grundlagenforschen die Einstiegshypothese im Nichts verpufft? Aber anstatt das Thema loszulassen und sich ein neues Thema für ihre Dissertation zu suchen, beschäftigte sich die junge Amy damit, ob es denn wirklich sein kann, dass erfolgreiche Teams mehr Fehler machen, als weniger erfolgreiche. Oder kommunizieren erfolgreiche Teams ihre Fehler einfach nur häufiger? Nach eigenen Angaben war es Amys persönlicher Heureka-Moment, als sie die These entwickelt, dass es in den erfolgreicheren Teams eine Atmosphäre der Offenheit und des Vertrauens gibt, die es erleichtert, über Fehler zu berichten und diese zu diskutieren, um dann im Team daraus zu lernen. Was zunächst nur eine Vermutung war, musste in der Folge mit Fakten gesichert werden.

In ihrer initialen Studie fand Edmandson heraus, dass dieses Gefühl von Vertrauen und Offenheit, dass sie fortan als Psychological Safety bezeichnet, selbst zwischen einzelnen Teams innerhalb eines einzigen Krankenhauses unterschiedlich ausgeprägt und sehr stark durch die jeweiligen Führungskräfte geprägt war. Vielleicht habt ihr ja auch schon die Erfahrung gemacht, dass es selbst im gleichen Unternehmen Abteilungen oder Teams gibt, in denen es einfach und selbstverständlich ist, das Wort zu ergreifen und im Team nebenan ist genau das, wenn überhaupt, die absolute Ultima Ratio. Noch eine Tür weiter wird vielleicht sogar komplett geschwiegen. Bereits in ihrer ersten Studie konnte Edmondson nachweisen, dass die offenen Teams die erfolgreicheren waren und sind.

Edmondson wurde Professorin und forschte schließlich gemeinsam mit ihren Doktoranden weiter; in Krankenhäusern, Unternehmen, Regierungsorganisationen. Sie kam zum Ergebnis, dass Psychological Safety überall unterschiedlich stark ausgeprägt ist und großen Einfluss auf das Lernverhalten und der objektiv messbaren Leistung hat. Zwischenzeitlich haben sich dutzende von Forschern mit dem Phänomen der Psychological Safety beschäftigt und sind übereinkommend zu dem Ergebnis gekommen, dass Psychological Safety bessere Leistung (im Falle von Krankenhäusern sogar weniger Tote) und besseres Lernen hervorruft. Basis für dieses bessere Lernen ist vor allem eine offene Fehlerkultur, die die Grundlage dafür darstellt, dass Teams oder im besten Fall sogar ganze Organisationen in der Lage sind, sich stetig weiterzuentwickeln und auf ein sich permanent änderndes Umfeld zu reagieren. Edmondson nennt das schließlich eine Lernende Organisation, die beste Möglichkeit um auf das komplexe und dynamische Umfeld unserer Vuca-Welt zu reagieren. Außerdem nimmt das Gefühl der Psychological Safety die Angst und Unsicherheit, die die inzwischen allgegenwärtigen Veränderungsprozesse bei uns Menschen für gewöhnlich hervorrufen. So können sich Menschen auch während eines Veränderungsprozesses besser auf das Erreichen der gemeinsamen Ziele konzentrieren, anstatt vor allem auf Selbstschutz zu achten. Diese Erkenntnis ist übrigens noch ein ganzes Stück älter, als Amys Doktorarbeit. Bereits Mitte der 1960er Jahre hat Prof. Edgar Schein, der am Massachusetts Institute of Technology lehrte, eine diesbezügliche Arbeit veröffentlicht.

Fehlerkultur, Führung und Psychological Safety - Weil sich alles bedingt

Also, ich fasse zusammen: Fehler sind in High Performance Teams ein wichtiger Teil des natürlichen Entwicklungsprozesses und je offener Fehler kommuniziert werden dürfen, desto mehr Möglichkeiten hat man, um zu lernen und sich weiterzuentwickeln… Und deshalb jetzt noch einmal zu den Führungskräften, die laut Amy diese Psychological Safety in ihren Teams und Organisationen maßgeblich beeinflussen: Liebe Führungskräfte, wie geht ihr mit Fehlern um, die in euren Teams oder Organisationen gemacht werden? Werden sie euch überhaupt mitgeteilt, oder werden sie aus Angst oder Unsicherheit lieber vertuscht und der Organisation somit auch die Möglichkeit genommen, sich weiterzuentwickeln und erfolgreicher zu werden? Ich erlebe immer wieder Führungskräfte, die von ihren Leuten völlig nachvollziehbar Höchstleistungen erwarten. Als Führungskraft würde ich das auch erwarten, unbedingt sogar. Allerdings würde ich es nicht mit Druck versuchen, sondern mit dem Vertrauen, dass jeder einzelne Mitarbeiter sein Bestes gibt, engagiert und nach bestem Wissen und wenn Fehler passieren, dann weil Fehler eben passieren! Niemand weiß alles und kann alles und auch die ganz besonders hellstrahlenden Führungskräfte sind nicht fehlerfrei und mögen es sicher auch nicht, dass man ihnen dabei Unwissenheit, Unachtsamkeit, Faulheit oder Schlampigkeit unterstellt. Also liebe Führungskräfte, Amy hat den wissenschaftlichen Beweis erbracht, dass eine offene Fehler- und Feedbackkultur zu High Performance führt und die Basis dazu ist diese sagenumwobene Psychological Safety. Also legt los in dem ihr vertraut! Übrigens macht Google das auch und Google darf ja durchaus als erfolgreiche Organisation bezeichnet werden. Julia Rozovsky, ihres Zeichens Manager of People Analytics, fasst das Thema der Psychological Safety wie folgt zusammen: “Psychological Safety war mit Abstand die wichtigste der fünf Schlüsseldynamiken, die wir gefunden haben. Sie war die Grundlage der anderen vier.”

Und jetzt?

Die Gretchenfrage ist und bleibt zu mindestens für mich wie man diese Psychological Safety jetzt in eine Organisation hineinträgt. Auf jeden Fall geht das nicht von heute auf morgen und man muss auf vielen Ebenen aktiv werden. Klar ist es sinnvoll, vor allem auf der Führungsebene anzufangen. Aber auch Führungskräfte brauchen Psychological Safety um zu Vertrauen und auch ihrerseits Fehler zuzugeben und ihren Mitarbeitern einen sicheren Rahmen zu bieten. Wer gibt Führungskräften diese Sicherheit? Klar könnte man sagen, die stehen so weit oben, die müssen diese Sicherheit in sich selbst finden. Aber hier sprechen wir von Emotionen und das Gefühl, besonders weit oben zu stehen, macht auch häufig Angst vor einem tiefen Fall, von der Last der Verantwortung ganz zu schweigen. Ich denke, mir als Coach bleibt nicht mehr und nicht weniger, als Menschen über Hierarchiegrenzen hinweg in den Austausch zu bringen, miteinander zu reden, Feedback nicht nur zu geben, sondern aus Feedback eine Feedbackkultur werden zu lassen und sich darüber die Sicherheit zu erarbeiten, die es bedarf, um auch über Fehler offen reden zu können, damit man daraus schließlich auch lernen kann um sich und sein Team weiterzuentwickeln… Das scheint irgendwie nicht viel, aber wenn es funktioniert ist es gewaltig!

Genießt den aufkommenden Frühling!

Eure Constance

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Fehler passieren

Deshalb muss man sich zusammensetzen und darüber reden!

"Hast du was zu Leadership in High Performance Teams?"

Für Conny

“…Weil ich dachte, dass Krisenstäbe ja irgendwie auch High Performance Teams sind, aber auch agil sein müssen, weil eine Krise ja meist unsicheres Fahrwasser ist.” Liebe Conny, ich hoffe du verzeihst mir, dass ich diesen Beitrag ungefragt mir einem Zitat aus unserer Konversation von vor einer Woche einleite!

Ich habe in ziemlich vielen Aus- und Weiterbildung durchaus so einiges an wertvollem Wissen angehäuft, das meiner Weiterentwicklung definitiv zuträglich war und ist. Etwas, was für mich mindestens genauso wertvoll ist, ist mein Netzwerk, all die wundervollen, bunten und spannenden Menschen um mich herum, die mir immer wieder eine wertvolle neue Perspektive auf alles das bieten, mit dem ich mich beschäftige. Manchmal war es schlicht und ergreifend der Zufall, der mir mein Netzwerk beschert hat. In Connys Fall wurden wir quasi verkuppelt und das war ausgesprochen gut. Momentan darf Conny den aufkommenden Frühling im fernen Maastricht genießen, wo sie sich mit ihrer Doktorarbeit auseinandersetzt. Das Kernthema sind Krisenstäbe. Und ja, ich musste Conny rechtgeben, erfolgreiche Krisenstäbe sollten in der Tat agil arbeiten, oder wenigstens mit einem agilen Mindset zur Tat schreiten, da Krisen selbstverständlich immer von einer hohen Dynamik gepaart mit einer anständigen Portion Komplexität geprägt sind. Ohne ins Detail gehen zu wollen, ist die gegenwärtige Corona-Krise ein gutes Beispiel für Dynamik, Komplexität, Abhängigkeiten und Unberechenbarkeit. Die Ausgangssituation verändert sich ständig, schnelle Entscheidungen wollen getroffen, aber auch immer wieder überprüft und revidiert werden. Schon vor zwei Wochen habe ich mit einigen Agile Coach Kollegen darüber nachgedacht, ob denn die Krisenstäbe der Bundesregierung auch Kanban-Bords haben und wie diese wohl aussehen.

Führung und High Performance

Ich habe Conny schon vor einer Woche versprochen, mich sehr bald mit dem Thema Führung in High Performance Teams zu beschäftigen. In der letzten Woche hat dieses Thema in meiner neuen agilen Welt derart an Fahrt aufgenommen, dass es tatsächlich schon heute so weit ist.

Bevor ich das Thema in die Agilität einbette, beschäftige ich mich erst einmal damit, was Führung generell für High Performance Teams bedeutet, zumal Agilität für mich ein Weg ist, High Performance zu erzeugen. In meinen Betrachtungen zu High Performance Teams beziehe ich mich gerne und immer wieder auf die sogenannte H!PE-Formel, eine empirische Analyse von Hochleistungsteams der TU Chemnitz, durchgeführt von Prof. Dr. Pawlowsky und Dr. Steigenberger. Was mir an eben dieser Studie besonders gut gefällt, ist, dass man Teams aus ganz unterschiedlichen Bereichen herangezogen hat und so eine wirklich gute Bandbreite darstellen konnte und kann. Analysiert wurden Teams aus High Risk Bereichen wie Medizin, Luftfahrt, Luftrettung, Feuerwehr, aber auch weltbekannte Orchester und Teams aus der Gourmetküche, so wie Sportteams aus so unterschiedlichen Bereichen wie dem Segeln, der Formel 1 oder dem Profifußball, um nur einige zu nennen.

Was alle Teams in Hinblick auf Führung gemeinsam hatten, war, dass Führung klar vorhanden, benannt und erkennbar war. Die Art und Weise wie geführt wurde, war von Bereich zu Bereich unterschiedlich. In der Gourmetküche zum Beispiel wurde ein von transformativen Führungsansätzen geprägter Führungsstil wahrgenommen. Das heißt, der Führende führt indem er Vorbild und Mentor für seine Mitarbeiter ist und diese fachlich stetig weiterentwickelt. Im Gegenzug dazu akzeptieren die Mitarbeiter eine klar erkennbare Hierarchie. Der transformative Führungsstil tritt besonders häufig in Teams mit deutlichem Kompetenzgefälle auf und hat zum Ziel, jedes Teammitglied bestmöglich weiterzuentwickeln um die Team Performance so stetig zu verbessern.

Der transformativen Führung steht die transformationale Führung, wie sie zum Beispiel in der Luftrettung gelebt wird, gegenüber. Hier tritt Führung besonders in Einsatzsituationen in den Hintergrund. Führung übernimmt die Person, die für die jeweilige Situation die größten Kompetenzen mitbringt, unabhängig von der formalen Hierarchie. So wird Führung zu einer Art einem fluiden Konzept, das darauf basiert, dass zum einen jeder einzelne bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, zum anderen gibt es hinsichtlich der Arbeitsabläuft klare Rahmen, Vorgaben und Prozesse, definierte Leitplanken innerhalb welcher sich die Akteure bewegen dürfen.

In besonders leistungsfähigen kleinen und mittelständigen Unternehmen wurden vor allem transaktionale Anteile in der Führung beobachtet. Das bedeutet, hier beruht Führung auf Geben und Nehmen. Im Sport wurde häufig über die Definition eines gemeinsamen Ziels geführt, dem alles, auch individuelle Begehrlichkeiten, untergeordnet wurde.

Und am Ende geht es doch wieder nur um das Gefühl von Sicherheit

Das wirklich Interessante an der H!PE-Formel ist, dass es nicht die eine Art von Führung ist, die zwangsläufig zu High Performance führt. Häufig handelt es sich sogar um Mischformen der unterschiedlichen Führungsansätze, die erfolgreich machen. Die Basis für High Performance ist eben kurzgesagt das Vorhandensein von Führung! Aber Vorsicht! Die H!PE-Formel wäre nicht die H!PE-Formel, wenn es im Prinzip egal wäre, was man macht. Es gibt einen weiteren Aspekt, der ausgesprochen viel mit Führung zu tun hat und der eine absolute Voraussetzung für High Performance Teams ist: Vertrauen! In allen untersuchten Teams, unabhängig ihrer jeweiligen Form von Führung, wurde festgestellt, dass jedes Teammitglied, unabhängig seiner strukturellen Position, jederzeit das Gefühl hatte, Probleme offen ansprechen zu können und auch dem Vorgesetzten jederzeit offen Feedback geben zu dürfen oder Verbesserungen anregen zu können und dabei erst genommen zu werden. Die Harvard Professorin Amy C. Edmondson nennt dieses Gefühl von Sicherheit Psychological Safety. -Für sie DIE Voraussetzung für High Performance. Tja, und ich bin an dieser Stelle immer wieder in so einem Huhn-Ei-Dilemma, in dem ich mich frage, was zuerst da war: die Führung, die das Team positiv beeinflusst und somit das Gefühl von Sicherheit hervorruft, oder das Gefühl dieser Sicherheit, die eine auf Vertrauen basierende Führung hervorruft? Sagt ihr es mir! Ich bin da ratlos, gebe aber Führungskräften gerne immer wieder den Rat, sich nicht nur dahingehend zu reflektieren, was für eine Art Führungskraft sie sind: kooperativ, hierarchisch, Laissez-faire, Servant… Ich ermutige Führungskräfte darüber hinaus auch immer wieder sich zu fragen, wie sicher sich ihre Teams fühlen, wie es um die Vertrauensbasis bestellt ist.

Und jetzt wird es auch noch agil

Wie schon erwähnt, sehe ich Agilität als eine großartige Möglichkeit um Hochleistung zu generieren. Warum? Weil agile Strukturen zu der Erkenntnis gelangt sind, dass nur der Mensch gemeinsam im Team in der Lage ist, die Dynamik und Komplexität unserer schönen neuen VUCA-Welt zu managen. Der Mensch ist hier die wertvollste Ressource, das Humanvermögen eines Unternehmens und es gilt bestmögliche Voraussetzung für die Mitarbeiter zu schaffen, ihr gesamtes Potenzial auch nutzen zu können. Hierbei sind Führungskräfte elementar wichtig. In agilen Strukturen stellt man sich deshalb den Servant Leader, die dienende Führungskraft vor. Im Kern ist die H!PE-Formel hier gar nicht so weit weg, kommt sie doch zu der Erkenntnis, dass Führung zum einen eine klare Zielausrichtung fördern soll, zum andern aber auch eine wirkungsvolle Unterstützung aller Teammitglieder liefern muss, also das Team fördern oder dem Team dienen soll. Das schließt auch mit ein, dem Mitarbeiter Raum zu geben, sich zu entfalten. Wenn Unternehmen schon horrende Summen in Fachpersonal investieren und diesen Leistungsträgern dann bis ins Detail sagen, was zu tun ist, beißt sich die Katze ja auch irgendwie in den Schwanz. Ergo: Führung muss Raum lassen und auf die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter vertrauen, was uns wieder zu Edmondsons Psychological Safety führt. Spannend wird hier jedoch die Frage, wieviel Raum man seinen Mitarbeitern lassen sollte. Der schwedische Agile Coach Henrik Kniberg beschreibt, dass man einen Weg zwischen “Alignment” und “Autonomy” finden muss. Das hört sich in der Theorie einfacher an, als es sich in der Praxis darstellt. Denn Servant Leadership ist nicht nur Servant, sondern auch Leadership und zu viel Autonomie hat das Potenzial, Strukturen und Organisationen komplett zu torpedieren und von innen auszuhöhlen. Denn streng genommen sind Sinn, Zweck und Wesen von (Wirtschafts-) Organisationen nicht wirklich auf Agilität ausgelegt. Deshalb gilt es hier einen guten Mittelweg zu finden. Dieser Mittelweg führt mich zurück zu den Herren aus Chemnitz und der Luftrettung: weil Führung hierbei im alltäglichen Tun in den Hintergrund gerät und der jeweilige Experte für die jeweilige Situation die Verantwortung übernimmt, in Führung zu gehen. Dabei fühlt er sich durch vorgegebene und klar definierte Leitplanken und Prozesse gesichert und das Gefühl tiefen Vertrauens sorgt dafür, dass jeder einzelne Mitarbeiter Verantwortung übernimmt und proaktiv agiert. Ich persönlich glaube ja, dass Agilität in der praktischen Umsetzung noch einen weiten Weg zu gehen hat, um das Thema Führung wirklich glatt zu ziehen. -Zumal ja auch immer wieder Manager vom alten Schlag plötzlich zum Servant Leader werden sollen. Das ist verdammt viel verlangt. Hier braucht es Geduld, Unterstützung und eine ganz scharfe Rollenklärung… Und am Ende müssen auch die Mitarbeiter verstehen, dass Agilität eben doch nicht Anarchie bedeutet und man bei all der Autonomie eben doch nicht machen darf, was man will. Aus meiner Sicht wäre das ohnehin das Ende jeder Weiterentwicklung! Denn wenn der Mensch machen darf, was er will, wird er eines sicher nicht tun: sich freiwillig raus aus der Komfortzone begeben!

Und was ist denn nun mit den Krisenstäben?

Tja, liebe Conny, was machen wir denn jetzt mit deinen Krisenstäben? Wie sollte man die führen, damit es am Ende gut wird? Wenn wir uns mal anschauen, wie Krisenstäbe besetzt sind, ist es ja so, dass es sich hierbei um eine Gruppe aus unterschiedlichen Experten handelt, die sich für gewöhnlich auf Augenhöhe begegnen. Deren Knowhow kann man nur nutzbar machen, wenn man ihnen den Rahmen gibt, sich voll einbringen zu dürfen. -Ähnlich wie bei den heterogenen Teams in der Luftrettung. Würdest du mich also jetzt fragen, würde ich wahrscheinlich sagen, dass transformationale Führung der Weg zum Erfolg ist. Aber wie setze ich im Rahmen von Krisenstäben die dafür benötigten Leitplanken? Vielleicht indem ich die potenziellen Mitglieder von Krisenstäben entsprechend vorbereite und im Rahmen von Workshops die Leitplanken im Soft Skill Bereich setze, damit sie verstehen, was passiert, wenn heterogene Teams zusammenkommen, wo die Gefahren liegen und wo die großen Chancen. Und was Krisenstäbe in jedem Fall brauchen, ist einen gemeinsamen analytischen Entscheidungsfindungsprozess, klar, transparent, standardisiert… Gemeinsame Prozesse eben! Ich bin auf jeden Fall auf deine Forschungsergebnisse gespannt und ich freue mich sehr auf den Tag, an dem wir beide mal ins Sparring gehen und überlegen, wie Workshops aussehen könnten, die potenzielle Mitglieder von Krisenstäben auf ihren Einsatz vorbereiten um in der Akutsituation als Team ganz schnell zu High Performern zu werden. Und euch verspreche ich, auf diesem Kanal darüber zu berichten, wenn es so weit ist. Aber bis dahin wird sicher noch etwas Zeit ins Land gehen.

Und was ist mit euch?

Wie nehmt ihr Führung denn wahr? -An euch oder in eurer Organisation? Führt ihr selbst? Wie macht ihr das? Wie viel Psychological Safety herrscht in eurem Team oder in eurer Abteilung? Woran macht ihr das fest? Und wie würdet ihr euch Führung wünschen, wenn es in eurer Hand läge? Das sind Fragen, die mich gerade täglich umtreiben! Was ist gut und was ist schlecht? Fakt ist, dass Führung, führen und geführt werden, sich selbst ermächtigen und andere bewusst ermächtigen, ein nicht enden wollender Prozess ist und vor allem ist es eine Interaktion zwischen Führungskraft und Team. Deshalb ist man gut beraten, sich diesbezüglich immer wieder selbst zu reflektieren, wozu ich euch hiermit einladen möchte.

Eure Constance

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Follow the Leader!

Oder sollte es doch lieber der Leader sein, der dem Team folgt?

Aller Anfang ist schwer? - Wirklich schwer ist es, rechtzeitig aufzuhören!

Onboarding die Sechste

Meine Reise in die Welt von Finance und IT geht weiter und weiter und ja, aller Anfang ist schwer, definitiv! Aber wisst ihr was ich letzte Woche beobachtet habe? Neben dem Fakt, dass (Neu-) Anfänge immer schwer sind, habe ich festgestellt, dass es gefühlt noch viel schwerer ist, mit Altbekannten aufzuhören, den Absprungs zu finden und das Alte loszulassen. Das habe ich in der letzten Woche nicht nur an mir selbst beobachtet, sondern auch an meinen Kollegen, den neuen wie den alten, im Freundeskreis, den Nachrichten, einfach überall. Offensichtlich klammert sich der Mensch recht gerne an Altbekanntem fest. Der Spatz in der Hand ist natürlich besser als die Taube auf dem Dach und was man hat, hat man eben! Derartige Sprüche sind so alt wie die Menschheit und das damit zusammenhängende Verhalten ebenso.

Ihr kennt sicher Goethes Faust. Mein absolutes Lieblingsdrama. Ein unfassbares Meisterwerk, dass den Menschen so vortrefflich beschreibt und einige Zitate daraus sind für die Ewigkeit. Ihr kennt das mit den zwei Seelen, die ach! in meiner Brust wohnen. Wir alle wissen, dass die eine sich von der anderen trennen will. “Die eine hält in derber Liebeslust sich an die Welt mit klammernden Organen; Die andre hebt gewaltsam sich von Dust zu den Gefilden hoher Ahnen.” So weit so gut! Wirklich spannend (und weitaus weniger bekannt) ist wie es jetzt weitergeht:

O gibt es Geister in der Luft, die zwischen Erd und Himmel herrschend weben, so steiget nieder aus dem goldnen Duft und führt mich weg zu neuem bunten Leben.

So sprach es Faust und lässt damit tief blicken: da ist jemand, der unzufrieden mit dem ist, was er tut, aber anstatt aktiv zu werden, seinen Hintern hochzubekommen und sein Leben substanziell zu ändern, wartet der feine Herr auf Geister, das Schicksal, den Zufall, ein Silbertablett oder den roten Teppich. Nur um nicht aus eigenem Antrieb sein altes Leben hinter sich lassen zu müssen, verkauft der gute Faust seine Seele lieber an Mephisto, den Teufel. Wie das ausgegangen ist, hat sich rumgesprochen. -Und alles nur, weil der kluge Dr. Faust unbedingt jemanden brauchte, der ihm das Händchen hält und für ihn mit dem alten Leben Schluss macht. Auch dem armen Gretchen wäre so einiges erspart geblieben…

Sicherheitsbedürfnis und Veränderungslust

Seit dem Erscheinen von Goethes Faust im Jahr 1808 ist schon eine Menge Wasser den Rhein runtergeflossen und man könnte meinen, die Evolution hätte die ein oder andere Möglichkeit gehabt, den Menschen weiterzuentwickeln. Leider scheint dem mit Nichten so. Wir Menschen stellen unser Sicherheitsbedürfnis noch immer über alles und raus aus der Komfortzone erscheint geradezu verrückt. Manchmal sind wir Menschen sogar lieber unglücklich, als dass wir uns trauen, unser gewohntes Terrain zu verlassen. Klar, damals in der Höhle, da gab es sicher einige ganz besonders mutige und abenteuerlustige Urmenschen, die mit dem Mut-Gen ausgestattet neugierig von den bekannten Pfaden abgewichen sind. Leider wurden die wahrscheinlich alle von Säbelzahntigern gefressen oder haben sich verlaufen und konnten ihre Gene nicht mehr weitergeben. Übrig geblieben sind ausgesprochen vorsichtige und konservative Urmenschen, deren Verhaltensweisen in dieser alten, gefährlichen und wenig komplexen Welt ausgesprochen erfolgreich war. Säbelzahntiger gibt es aber nicht mehr, Verlaufen ist dank Navi und Handy auch kein Thema mehr und auch mit “fremden” Stämmen schlagen wir uns nicht mehr ständig gegenseitig die Köpfe ein (wobei, hier scheinen gewisse Entwicklungen gerade wieder rückläufig). Das sind die guten Nachrichten. Irgendwie scheint die Welt deutlich sicherer als damals in der Steinzeit. Unsere moderne Welt ist aber auch deutlich komplexer und dynamischer geworden und stellt uns Menschen vor ganz neue Herausforderungen. Denn was früher Lebensgefahr bedeutete, ist heutzutage eine wichtige Voraussetzung für Erfolg und Zufriedenheit. Und so stehen wir da, wie seinerzeit der gute alte Dr. Faust, mit zwei Seelen, die in unserer Brust wohnen. Die eine klammert sich in tiefstem Sicherheitsbewusstsein an Altbekanntem fest, denn der Spatz in der Hand… - Ihr wisst Bescheid! Zum Glück ist da ja noch diese andere Seele, die neugierige, die begriffen hat, dass sich unsere Welt inzwischen so schnell dreht, dass der Spatz in der Hand auch ganz schnell an Wertigkeit verlieren kann. Klar kann man das jetzt so machen wie Faust und warten, bis jemand kommt, der diese Seele an die Hand nimmt und ihr raus hilft aus der alten, bekannten Routine, um ihr die Möglichkeit zu geben, sich weiterzuentwickeln. Aber was ist, wenn dieser Jemand nie kommt, oder wenn es der Teufel ist?

Auf der Suche nach den eigenen Ressourcen

Wenn wir nun also entscheiden, nicht auf den Teufel zu bauen, braucht unsere ängstliche, neugierige Seele eine andere Hand, die ihr die Sicherheit gibt, die sie braucht, um ihre Komfortzone zu verlassen und sich auf neue Wege zu begeben. In der letzten Woche hatte ich gleich mehrere Gespräche über Ressourcen, die wir alle in uns tragen und die es sind, die uns erfolgreich machen, wenn, ja wenn wir uns erstmal darüber bewusst sind, dass wir sie haben. Als ich im letzten Herbst angefangen habe darüber nachzudenken mit der Fliegerei aufzuhören, war eine sehr präsente Frage die, ob ich den neuen Aufgaben denn überhaupt gewachsen sei und ich habe mich vielleicht zum allerersten Mal in meinem Leben wirklich damit beschäftigt, was ich alles kann, worin ich gut oder sogar sehr gut bin, sprich auf welche Ressourcen ich mich verlassen kann, wenn ich meine sichere Komfortzone verlasse um mich auf bislang unbekannte Wege zu begeben. Das war mein Mephisto, der mich an die Hand genommen hat, mir Sicherheit und Vertrauen gegeben hat, ganz ohne, dass ich dafür meine Seele verkaufen musste.

Und wenn ein ganzes Unternehmen entscheidet aufzuhören um neu anzufangen?

Wisst ihr, was wirklich verrückt ist? Mein neuer Arbeitgeber ist im Prinzip in der gleichen Situation, wie ich es bin. Mit der agilen Transformation hat man dort auch entschieden, die bekannten Pfade zu verlassen. Man hat den Spatz in der Hand losgelassen, weil man sich bewusst darüber war, dass die Welt sich immer schneller dreht und man verstanden hat, dass Spatzen in absehbarer Zukunft einfach nicht mehr ausreichend sind. Diese Entscheidung war sicher nicht einfach, aber man hat es geschafft, rechtzeitig mit dem Alten aufzuhören, um in der Weiterentwicklung und somit eben auch auf Erfolgskurs zu bleiben.

Im Rahmen solcher agilen Transformationen stellt sich natürlich auch die Frage nach den Ressourcen. Die Antwort darauf ist recht einfach! Ich zitiere mich hier mal selbst: der Mensch ist und bleibt der Schlüssel zum Erfolg komplexer Systeme. So wie ich mir gerade täglich Gedanken darüber mache, ob und wie ich meine Ressourcen bestmöglich nutzen kann, sind (agile) Unternehmen gut beraten, alles nur Mögliche zu tun, ihren Mitarbeitern Strukturen und eine Unternehmenskultur zu bieten, die es jedem einzelnen ermöglichen, ihr oder sein gesamtes Potenzial abzurufen. Hierbei braucht es auch Vertrauen und Sicherheit auf allen Seiten: Manager werden plötzlich zu Servant Leader, die ihren Mitarbeitern ganz viel Autonomie und Freiraum geben sollen, was vor allem bedeutet, ihnen zu vertrauen. Und die Mitarbeiter brauchen ihrerseits großes Vertrauen, um diesen Freiraum zu nutzen, um kreativ zu sein, neue Wege zu gehen. Denn an dieser Stelle könnte ich nochmals aus Goethes Faust zitieren: “Es irrt der Mensch so lang er strebt.” Wer Menschen Raum gibt, Neues auszuprobieren, der muss auch damit rechnen, dass nicht alles zu einem großen Erfolg wird. Legt der Mensch erstmal los, sind Fehler schlicht und ergreifend systemimmanent, unvermeidbarer Teil eines für agile Unternehmen erforderlichen Lernprozesses, den die Harvard-Professorin Amy Edmondson als Lernende Organisation beschreibt. Als Mitarbeiter brauche ich die Sicherheit, auch Fehler machen zu dürfen, um daraus zu lernen, weil sie unvermeidbar sind, wenn ich die altbekannten Flugrouten der Spatzen in unseren Händen verlasse.

Der Aufbau dieses Vertrauens, sowohl innerhalb eines Unternehmens, als auch zu sich selbst, ist ein Prozess, der Zeit braucht und ist abhängig von den Erfahrungen, die man macht und natürlich ist und bleibt jeder einzelne Schritt, auch in einem agilen Unternehmen, eine Risikoabwägung. Wie agil wollen wir sein und wie agil müssen wir sein? Ja, mehr Agilität kann zunächst auch eine höhere Fehleranfälligkeit bedeuten. Die Anzahl dieser Fehler können nur durch High Performance Teams minimiert werden und für High Performance braucht es Vertrauen. Ich als Agile Coach sehe es als meine Aufgabe, dabei zu helfen, dieses Vertrauen und die damit zusammenhängende Offenheit nach Kräften zu fördern und zu unterstützen um aus der Sicherheit dieses Vertrauens Schritt für Schritt immer autonomer und agiler werden zu können. Dazu muss man eben auch Risiken eingehen. Ein sehr kluger Mann hat mal gesagt, dass der sicherste Ort für Schiffe der Hafen sei! Aber dafür sind Schiffe nun mal nicht gemacht. Oder um es in meiner “alten” Sprache zu sagen: die sicherste Airline ist die, die nicht fliegt. Tja, um nicht nur total sicher, sondern auch (wirtschaftlich) erfolgreich zu sein, muss man etwas riskieren! - Jeder einzelne von uns ebenso wie jede Organisation!

Offen für Neues

Das ist eine wirklich spannende Reise, auf der ich mich gerade befinde. Alles scheint sich langsam aber sicher ganz natürlich zu fügen. So gesehen ist der Anfang gar nicht so schwer, stressig ja, schwer nein! Was wirklich schwer war, war das Alte, Sichere, Liebgewonnene loszulassen, obwohl einem Teil von mir schon lange klar war, dass er sich unbedingt weiterentwickeln möchte, raus aus der Komfortzone, die für mich ehrlichgesagt nämlich nicht nur Sicherheit, sondern auch Langeweile bedeutet hat. Aber auch das muss man erstmal für sich erkennen. Nur für den Fall, dass es euch ähnlich geht, schaut doch auch mal, ob das Vertrauen in euch selbst, in eure Ressourcen und Fähigkeiten, euch vielleicht auch die Sicherheit geben kann, um aus der Komfortzone zu treten und offen für all das Neue zu sein, dass auf euch zukommt.

Eure Constance

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Wer neue Wege gehen will muss die alten erstmal verlassen

… und nur dann geht’s auch hoch hinaus!