Führung

Was Piloten meinen, wenn sie von CRM sprechen und was (nicht nur) Ärzte daraus lernen können

Die Krux mit den Akronymen: weil CRM nicht gleich CRM ist

Während in weiten Teilen der Wirtschaft CRM dafürsteht, wie man die Beziehung zu seinen Kunden managt (was sicherlich auch indirekt überlebenswichtig für ein Unternehmen ist) hat CRM in der Luftfahrt tatsächlich eine direkt überlebenswichtige Bedeutung. Bei Flugzeugbesatzungen steht CRM nicht für Customer Relationship Management sondern für Crew Ressource Management. Was ist das und warum rettet das Leben?

Als die Technik immer zuverlässiger wurde

Mit Beginn der kommerziellen Luftfahrt hat man schnell festgestellt, dass man die Flugzeugtechnik dringend verlässlicher gestalten muss, um Ausfälle, Zwischenfälle und Unfälle zu vermeiden. Vorläufiger Höhepunkt dieser rasanten Entwicklung war der 9. Februar 1969 als der Jumbo, die Boeing 747, ihren Jungfernflug hatte. Die Luftfahrttechnik machte Quantensprünge und man fühlte sich an Bord der großen Verkehrsflieger immer sicherer. Doch dann kam das Jahr 1977, in dem zwei technisch perfekt funktionierende Jumbo Jets auf dem Flughafen von Teneriffa zusammenstießen und 583 Menschen auf einen Schlag ihre Leben verloren. Wer mehr über diesen schwarzen Tag der Luftfahrt wissen möchte, findet hier den Link zu einem älteren Artikel, der die Ereignisse dieses Tage ein wenig ausführlicher darstellt. Für heute soll die Erkenntnis reichen, dass es an diesem Tag nicht die Technik war, die versagt hat, sondern der Mensch. Dabei stellte man interessanterweise fest, dass diese Menschen, die versagt haben, sich eigentlich so verhalten haben, wie es Menschen üblicherweise tun: sie waren ungeduldig, glaubten, der andere würde das, was sie sagten, auch so verstehen, wie sie es meinten, sie glaubten, dass der Chef natürlich wusste was er tat und natürlich hörte man nicht richtig zu, weil man mit tausend Dingen gleichzeitig beschäftigt war… Erkennt sich der ein oder andere wieder? Ja, alles total menschlich. In High Risk Environments wie in der Luftfahrt (oder der Medizin) kann diese “Menschlichkeit” schnell tödlich enden. Genau das war die Geburtsstunde des CRM Trainings in der Luftfahrt.

Crew Ressource Management

Der Oberbegriff Crew Ressource Management vereint unter ausgesprochen praxisorientierten Vorzeichen eine Reihe von Forschungs- und Theoriesträngen sozialpsychologischer, soziologischer, physiologischer und pädagogischer Ursprünge, in deren Mittelpunkt die Gestaltung von erfolgreicher Arbeit unter komplexen und dynamischen Arbeitsbedingungen steht. Seinen Ursprung hat CRM, wie gesagt, in der Luftfahrt, allerdings haben die damit verbundenen Ideen inzwischen auch in weitere verlässlichkeitsorientierte Arbeitsfelder Einzug gehalten. Zu nennen wären hier zum Beispiel Kernkraftwerke, Bohrinseln, Feuerwehr, Katastrophenschutz, aber eben auch Krankenhäuser.

Die Grundidee aller CRM-Ansätze liegt in der Annahme, dass Interaktionsprozesse in Teams bei der Bewältigung kritischer Situationen einen deutlichen Einfluss auf den Erfolg haben. Es gibt hierbei Interaktionen, die förderlich im Umgang mit komplexen Situationen wirken, genauso wie solche, die im Umgang mit komplexen Situationen hemmen. Ziel von CRM ist es, das Wissen und die Fähigkeiten jedes einzelnen Teammitgliedes für das Team maximal nutzbar zu machen, also alle Team-Ressourcen optimal und im Sinne der Zielerreichung zu nutzen. CRM bedient sich hierbei der gesamten Bandbreite verlässlichkeitsorientierter Forschungsfelder, wie etwa der Fehlerforschung (Fehlerkultur und Lernen aus Fehlern), der Entscheidungsfindung (analytische Entscheidungsfindungsprozesse) und der Gruppenforschung (Kommunikation, Konfliktforschung, Teamwork, Führung, Backup Behaviour, Feedback, interkulturelle Forschung). Ergänzend dazu befasst sich die Human Factors Forschung mit Faktoren, die die individuelle menschliche Leistungsfähigkeit beeinflussen. Als Grundlage dienen sowohl physiologische als auch psychologische Erkenntnisse (Stressmanagement, Fatigue Risk Management, Wahrnehmungsprozesse, Resilienz).

Kurzgefasst, die Luftfahrt ist so komplex und dynamisch, dass ein einzelner Mensch nicht in der Lage ist alles so weit zu überblicken, um bestmögliche Entscheidungen zu treffen. Man benötigt ein möglichst vielseitiges und heterogenes Team, das alle benötigten Ressourcen in sich trägt, um erfolgreich (und sicher) von A nach B zu kommen. Genau das hat die Luftfahrt nicht nur mit dem gemeinsam, was wir heutzutage als VUCA-Welt (also diesem Businessumfeld, dass von hoher Dynamik, Komplexität, Unsicherheit und Mehrdeutigkeit geprägt ist) bezeichnen, sondern auch mit der Krankenhaus-Welt.

Weil Teamwork Leben rettet

Ähnlich wie in der kommerziellen Luftfahrt, spielt auch in Krankenhäusern die individuelle Einbindung in strikte Hierarchien eine große Rolle. Diese Hierarchien sind aus diversen Gründen notwendig und ich möchte in High Risk Environments das Vorhandensein von Hierarchien auf keinen Fall in Frage stellen. Im Gegenteil! Allerdings ist es in Hinblick auf die erfolgreich Lösung einer Situation wichtig, sich darüber bewusst zu sein, dass (falsch umgesetzte) Hierarchie zwei fatale Auswirkungen haben kann: zum einen liegt es in der menschlichen Natur, dass man davon ausgeht, dass der Chef es ohnehin besser weiß (hierzu könnt ihr gerne auch den sogenannten Halo Effekt googlen), zu andern neigen Menschen dazu, schlechte Nachrichten “chef-tauglich” zu machen, eigene Defizite und Unsicherheiten nach oben zu verschleiern und sich keinesfalls angreifbar zu machen. Es droht eine Kultur des Schweigens.

Die von mir so geschätzte Harvard Professorin Amy C. Edmondson hat einen Teil ihrer Grundlagenforschung zur sogenannten Lernenden Organisation, einer Organisation die schnell und flexibel auf komplexe und dynamische Situationen reagieren kann, in Krankenhäusern durchgeführt. Sie berichtet in diesem Zusammenhang von einer Situation auf einer Frühchen-Station: die junge Krankenschwester, die Edmondson Christina nannte, kümmerte sich um Zwillinge, die bereits in der 27. Woche zur Welt kamen. In einer Fortbildung, die Christina gerade erst erfolgreich absolviert hatte, hat sie gelernt, dass es sinnvoll ist, diesen extrem früh geborenen Kindern ein bestimmtes Medikament zu verabreichen, um die Entwicklung der kleinen, viel zu früh in die Pflicht genommenen Lungen zu verbessern. Dr. Drake, ein sehr erfahrener, älterer Arzt hat dieses Medikament jedoch nicht verschrieben. Christina wollte ihn eigentlich darauf ansprechen, ließ ihre Idee jedoch recht schnell wieder fallen. Sie sagte sich, dass der Arzt sicher selbst besser wisse, was zu tun sei und er sicher seine Gründe dafür habe, das Medikament nicht zu verschreiben (dass er es einfach vergessen haben könnte, kam ihr natürlich nicht in den Sinn). Sicher würde es den Zwillingen gut gehen. Außerdem erinnerte sich Christina an ein Gespräch zwischen Dr. Drake und einer anderen Schwester, das Christina kürzlich zufällig mit angehört hatte. In diesem Gespräch beschimpfte Dr. Drake diese Schwester, weil sie seine Anordnungen hinterfragte.

Ich weiß nicht, wie es mit den Zwillingen weitergegangen ist, aber ich hoffe, dass die beiden ein gesundes und glückliches Leben führen können. Auf jeden Fall beschreibt diese kurze Geschichte eindrücklich, dass Kollegen oder Teammitglieder unglaublich wertvolle Ressourcen darstellen und CRM soll dabei helfen, diese Ressourcen bestmöglich zu nutzen. So einfach und doch so kompliziert!

CRM hat zwei Grundlagen, an denen nicht gerüttelt werden darf: jeder macht Fehler (auch der Chef!) und jeder muss den Mut haben, den Mund aufzumachen (sei es, um eigene Fehler darzulegen, damit man andere davor schützt, evtl. in die gleiche Falle zu tappen, um nach Hilfe zu fragen, oder um andere (auch Vorgesetzte) auf Dinge hinzuweisen, die einem selbst in irgendeiner Art und Weise auffallen oder nicht schlüssig erscheinen. Das alles tut der Mensch nicht gerne. Nein, eigentlich tut er es gar nicht freiwillig. Wer geht dann schon zur Arbeit, um am Ende des Tages als Störenfried, unwissend oder Nichts-Könner dazustehen? In meinen CRM Trainings erwarte ich also ganz schön viel von meinen Teilnehmern. Ich erwarte sehr viel Mut von ihnen, um über ihren Schatten zu springen. Einen solchen Sprung kann ich von einem Menschen nur dann erwarten, wenn er weiß, dass er dabei nicht abstürzt. Diese Sicherungsleine nennt unsere Frau Professor Psychological Safety. -Für Edmondson die Voraussetzung für eine erfolgreiche Lernende Organisation, oder funktionierendes CRM. Es beginnt also mit der Unternehmenskultur.

CRM in der Medizin

Inzwischen gibt es einige Länder die CRM-Systeme wie in der Luftfahrt auch verpflichtend für Teams in Krankenhäusern eingeführt haben. Diese Entscheidung kann ich als potenzieller Patient oder Angehöriger nur begrüßen. Hier würde die Krankenschwester sicher beim Arzt nachfragen. Vielleicht würde der Arzt seine Gründe erklären, das Medikament nicht zu verschreiben und die Schwester würde entspannt nachhause fahren, oder dem Arzt würde auffallen, dass er im Stress etwas vergessen hat und sehr dankbar dafür sein, dass er diesen Fehler korrigieren kann, noch eh er fatale Folgen hat. In jedem Fall würde unser Arzt sich bei der Schwester bedanken und mit dem guten Gefühl weiterarbeiten, dass er kein einsamer Einzelkämpfer ist, sondern ein starkes Team um sich hat, dass mit ihm gemeinsam am gleichen Ziel arbeitet.

Hört sich gut an, oder? Der Weg zu einem solchen miteinander, ist spannend, lohnend, aber definitiv auch umfangreich. Die von Amy Edmondson beschriebenen Psycholigical Safety ist unglaublich eng mit einer Unternehmenskultur verbunden, die ein bestimmtes Menschenbild zur Grundlage hat. Deshalb, liebe Krankenhäuser, oder liebe Unternehmen, es ist zwecklos, eine Seminarreihe einzukaufen und zu glaube, alles wird plötzlich anders. Eh man eine solche Seminarreihe einkauft, ist es sinnvoll sich hinsichtlich der eigenen Kultur zu hinterfragen und auch mal grundgenerell zu überlegen, welches Bild man von seinen Mitarbeitern hat.

Niels Pfläging, für dessen Buch “Organisation für Komplexität” ich letzte Woche über meinen Instagram-Kanal ein wenig (unbezahlte) Werbung gemacht habe, stellt diesbezüglich zwei Theorien dar, die diese unterschiedlichen Menschenbilder wie ich finde sehr gut und verständlich darstellen:

  1. Theorie X: Menschen mögen Arbeit nicht. Sie finden Arbeit generell langweilig. Deshalb benötigen sie Anreize in Form von Boni, bzw. Druck von “Oben”. Außerdem bevorzugen es Menschen klare Anweisungen zu bekommen und Verantwortung übernehmen sie nicht gerne. Hauptmotivation für Menschen in der Theorie X sind Geld und Angst (vor dem Verlust des Jobs). Kreativ sind diese Menschen hauptsächlich immer dann, wenn es darum geht, Regeln zu umgehen.

  2. Theorie Y: Menschen müssen zwar arbeiten, suchen sich aber eine Arbeit, die ihnen auch Spaß macht und sie interessiert. Ihnen ist das Ziel ihres Tuns bewusst und sie arbeiten eigenständig darauf hin. Dabei übernehmen sie auch gerne Verantwortung und verspüren den Wunsch, ihr Potenzial voll nutzen zu können. Kreativität und Ideenreichtum sind weit verbreitet, dieses Potenzial wird jedoch oft (noch) nicht voll genutzt.

Alle Führungskräfte und Manager, die der Meinung sind, dass ihre Mitarbeiter der Theorie X entsprechen, dürfen sich an dieser Stelle gerne ausklinken. CRM wird hier nicht funktionieren, weil man einem solchen Bild folgend niemals die Psychological Safety und das Vertrauen aufbauen kann, dass für funktionierendes CRM notwendig ist.

Eine Kultur des Miteinanders

Natürlich ist es nicht ausreichend, fest daran zu glauben, dass seine Mitarbeiter interessiert, eigenmotiviert und verantwortungsbewusst sind und der Laden läuft. Allerdings ist diese Überzeugung die Voraussetzung dafür, dass Maßnahmen und Schulungen aus dem Bereich, den wir in der Luftfahrt CRM nennen, erfolgreich sein können. Erfolg kann hier alles sein! In High Risk Environments wie Luftfahrt oder Medizin bedeutet Erfolg in erster Linie weniger Tote, weil es zu weniger fatalen Fehlerketten kommt. Erfolg bedeutet aber auch schneller und besser auf sich stetig ändernde Voraussetzungen (wie es auch in dieser komplexen, dynamischen, mehrdeutigen, unsicheren VUCA-Welt der Fall ist) einstellen zu können, dabei alle im Boot zu behalten um alle zur Verfügung stehenden menschlichen Ressourcen bestmöglich nutzen zu können.

Wem der Glaube daran fehlt, dass man durch Team Building, Kommunikationstrainings und dergleichen als Organisation tatsächlich erfolgreicher wird, darf sich gerne mal die Unfallstatistiken der zivilen Luftfahrt aus den letzten fünfzig Jahren anschauen. Hier stellt man fest, dass die Hauptursache für Flugzeugunglücke tatsächlich der Mensch ist (man geht von etwa 80% aus). Allerdings sind schwere Unglücke (besonders in Relation zu den stetig ansteigenden Zahlen an Flügen weltweit) sehr selten geworden, weil der Mensch gemeinsam mit seinem Team durch CRM immer besser geworden ist.

Wie viele und wie umfangreiche Schulungen für diesen Erfolg notwendig waren? In der Luftfahrt gibt es einen zweitägigen Grundkurs und einen jährlichen Refresher. Diese Schulungen finden übrigens “Joint”, das heißt im ganzen Team (positions- und hierarchieübergreifend), statt. Denn CRM ist auch die bewusste Interaktion zwischen (Servant) Leadership und (mutigem) Followership. Dieser eine Workshop im Jahr ist ausreichend, weil die Prinzipien von CRM durch die Kultur im Umgang innerhalb der Crews tagtäglich gelebt werden und vielleicht auch, weil ich als CRM Trainer mir darüber bewusst bin, dass ich keinem meiner Teilnehmer und Kollegen CRM beibringe. CRM lernt man im Prozess der stetigen Selbstreflexion und Achtsamkeit. Mein Seminar liefert hierfür nicht mehr und nicht weniger, als das nötige Gedankenfutter. Denn ich glaube ganz fest an die Y-Typen und auch fest daran, dass ein jeder meiner Teilnehmer, alles das, was er benötigt und wissen muss, schon in sich trägt. Ich habe lediglich die ehrenvolle Aufgabe, meinen Teilnehmern den Weg hin zu den eigenen Ressourcen ein wenig zu beleuchten.

In diesem Sinne, werdet erfolgreicher, rettet Leben und seid dabei vor allem eins: wohlwollend und respektvoll mit euren Kollegen und Teammitgliedern. Sie sind eure wertvollste Ressource!

Eure Constance

a2a3c316-2eac-4913-b7b3-1a32af6739de (1).jpg

Teamwork

Die Erfolgs-Pille, nicht nur im Flugzeug!

Das Pippi-Langstrumpf-Prinzip Teil zwei: Selbstführung als Grundlage für Erfolg (und Glück!)

Pippi Langstrumpf - Idol für Generationen

Pippi Langstrumpf feiert in diesem Jahr schon ihren 75. Geburtstag und ist dabei unfassbar jung geblieben! Mich begleitet Pippi schon seit fast 40 Jahren. Ich wollte immer sein wie Pippi. Komisch, dass ich das auf dem Weg des Erwachsenwerdens irgendwie vergessen habe. Na ja, inzwischen habe ich die rothaarige Göre wieder für mich entdeckt und wer meinen Blog schon länger liest, kann sich vielleicht an meinen Artikel im April erinnert, in dem ich mich mit dem ersten Pippi-Langstumpf-Prinzip auseinandergesetzt habe (hier der Link zum Blog). Damals ging es um Wahrnehmung, Paul Watzlawick und Pippis Idee von Wirklichkeit, getreu dem Motto “ich mach mir die Welt, widde-widde, wie sie mir gefällt”. Vielleicht erinnert ihr euch auch einfach nur an meinen verzweifelten und semi-schönen Handstandversuch auf dem Foto, das meinen Artikel begleiten sollte! Wie dem auch sein, hier möchte ich, fast fünf Monate später, anknüpfen. Während es in meinem ersten Pippi-Artikel Artikel um Pippis Wahrnehmung, bzw. Interpretation ihrer Umwelt geht, soll es heute um Pippis Selbstwahrnehmung gehen. Deshalb hierzu erstmal das zweite Pippi-Langstrumpf-Prinzip:

“Wunderbar! Bezaubernd!” “Was findest du so bezaubernd?”, fragte Tommy. “Mich”, sagte Pippi zufrieden.
— Pippi Langstrumpf

Als ich dieses Zitat letzte Woche über meine Social Media Kanäle in die Welt geschickt habe (ich würde mich übrigens noch immer über ein paar Insta-Follower freuen), habe ich mir zunächst nicht so viel dabei gedacht. Ich war einfach fasziniert davon, wie man sich so konsequent selbst toll finden kann. Ich gehöre eher zu denen, die nie abschließend mit sich zufrieden sind, um nicht zu sagen, ich bin die ungekrönte Königin der Selbstkritik. Verdammt, wo zum Teufel ist dieses Mädchen hingekommen, für das Pippi die Größte war? Während ich mir also meine Gedanken über diese perfekt angepasste und sehr selbstkritische Frau machte, die mich Morgen für Morgen im Bad anschaut, wurde ich von den zahlreichen Reaktionen auf allen möglichen Kanälen ziemlich überrascht. Offensichtlich gibt es noch ein paar andere, die gerne auch ein kleines bisschen sein möchten, wie Pippi. Sich selbst zu lieben sei der Beginn einer lebenslangen Romanze, postulierte dereinst Oscar Wilde, der wilde Schwerenöter. Klar ist die Fähigkeit, kritisch mit sich selbst sein zu können und sein eigenes Handeln zu reflektieren unglaublich wichtig, um sich weiterzuentwickeln, aber die Selbstliebe darf hierbei aus zwei Gründen nicht auf der Strecke bleiben:

  1. Es fühlt sich einfach total gut an, sich selbst zu feiern und mit sich selbst vollkommen zufrieden zu sein. Ich erinnere mich an den 17. Mai 2018. Ich war bei einem Kunden in Stuttgart, um ein Training durchzuführen. Irgendwie war ich an diesem Tag so gut, dass ich in dem Moment, in dem sich die Tür des Kunden hinter mir geschlossen hat, meine Chefin angerufen habe, um ihr sofort zu erzählen, wie grandios ich war! Danach hatte ich am Flughafen noch etwas Zeit und weil ich das tiefe Bedürfnis verspürte, mich unbedingt feiern zu müssen, habe ich mir im Bistro hinter der Sicherheitskontrolle einen völlig überteuerten Mord-und-Schande-Piccolo gekauft. Ich war mir das an diesem Tag einfach wert. Eben habe ich mir das Selfie (das es übrigens auch auf Insta zu sehen gibt ;o)) von damals nochmal rausgesucht und da war es wieder, dieses tolle Gefühl, super happy mit mir zu sein! Also, es macht total Glücklich, auch unsere Stärken wahrzunehmen und diese zu feiern.

  2. Und wer nicht nur happy, sondern auch erfolgreich sein möchte, sollte nicht nur seine Schwächen und seinen Entwicklungsraum kennen, sondern auch seine Stärken, um diese bewusst einzusetzen und sich daraus resultierend zudem seines Wertes im Business bewusst zu sein. Das macht nicht nur in Hinblick auf Gehaltsverhandlungen Sinn, sondern vor allem auch in Hinblick auf eine gute und bewusste Selbstführung.

Führung, Führung, schon wieder Führung…

Ich weiß, ich habe in den letzten Wochen viel über Führung geschrieben: gute Führung, schlechte Führung, über Servant Leadership und Shared Leadership, über mutige Geführte und alles das, was uns zum einen oder anderen macht. Dabei habe ich die elementarste Basis vergessen: die Selbstführung. Wer nicht in der Lage ist, sich selbst zu führen, dem wird auch sonst keiner folgen. Aber was ist Selbstführung und was hat das mit Pippi zu tun?

Klein anfangen: Selbstführung

Wenn ich mich selbst erfolgreich führen möchte, sind drei Dinge wichtig:

  1. Ich muss wissen, wo es hingehen soll (sprich ich muss mein Ziel kennen).

  2. Ich muss wissen, welchen Beitrag ich zur Zielerreichung leisten kann (ich muss also wissen, was ich kann und worin ich gut bin).

  3. Ich muss wissen, wo ich Hilfe brauche (also wo meine Defizite sind und wo ich mich noch weiterentwickeln möchte).

Die theoretischen Grundlagen zur Selbstführung, die sich inzwischen natürlich Neuhochdeutsch Self-Leadership nennt, entstanden schon in den 90er Jahren (basierend auf den Forschungsarbeiten eines gewissen Charles C. Manz), allerdings rückt diese Theorie erst jetzt so wirklich in den Fokus von Coaches, Personalentwickler, Psychologen, etc. Warum? Weil man festgestellt hat, dass es eben gute und schlechte Führungskräfte gibt, was unter anderem daran liegt, dass Menschen immer wieder in Führungsverantwortung gekommen sind, die noch nicht in der Lage waren, sich selbst angemessen und klar zu führen. Wer soll so jemandem folgen? Ich eher nicht! Und auch im Kreise der Geführten gibt es eben die letzte Woche beschriebenen Mutigen und weniger Mutigen. Auch um Mutig zu sein, muss ich meine Basis kennen, wissen, wo die Reise hinführen soll und auf welche Fähigkeiten ich bei mir selbst vertrauen kann.

Was kann ich tun, um mich selbst klar zu führen?

Im Prinzip ganz einfach: ich muss mir der drei oben genannten Punkte bewusst sein. Das hört sich erstmal total einfach an, führt uns aber zwangsläufig wieder zu unserer Freundin Pippi Langstrumpf und ihrer Idee von Wahrnehmung. Denn Pippi macht sich nicht nur die Welt, wie sie ihr gefällt, sondern sie sieht sich selbst auch so, wie sie sich gerne sehen möchte. Und weil wir alle ein bisschen Pippi sind, tun wir es ihr sehr gerne gleich. Das führt bei den meisten Menschen zu einer gewissen Dysbalance zwischen der Wahrnehmung von Stärken und Schwächen. Ich zum Beispiel neige dazu, mich stark auf meine Schwächen, bzw. meinen Entwicklungsraum zu fokussieren, Pippi wiederum hat einen absoluten Fokus auf ihre Stärken. In Hinblick auf eine erfolgreiche Selbstführung ist weder der eine, noch der andere Fokus wirklich hilfreich. Die Balance muss her. Menschen wie ich müssen lernen, auch ihre Stärken bewusster zu nutzen und Menschen wie Pippi müssen lernen, dass auch sie nicht perfekt, unfehlbar und fehlerfrei sind. Wie kann ich lernen, mich etwas objektiver wahrzunehmen? Natürlich ist ein Coach hier Gold wert. Deshalb spielt Coaching in der modernen Personalentwicklung eine immer größere Rolle. Aber auch wenn ich keinen Coach zur Verfügung habe, gibt es einiges, das ich für mich selbst klären kann:

  • Wo soll meine Reise hingehen? Was sind meine Absichten im Leben/in Business?

  • Was sind meine sogenannten blinden Flecken? Sprich, wo weicht meine Selbstwahrnehmung davon ab, wie andere mich wahrnehmen? Hierbei ist Feedback unabdingbar. Also fordert euch Feedback nicht nur aktiv ein, sondern verhaltet euch auch so, dass euer Umfeld sich überhaupt traut, euch (ein ehrliches) Feedback zu geben.

  • Identifiziert eure Stärken, entwickelt sie weiter und nutzt sie bewusst. Hierbei bitte ein bisschen so wie Pippi: keine falsche Bescheidenheit. Jeder Mensch hat Stärken, auf die man völlig zurecht stolz sein darf und die man natürlich auch nutzen soll.

  • Seid ehrlich zu euch selbst, auch in Hinblick auf eure Schwächen. Das ist vielleicht der schwierigste Punkt überhaupt. Egal wie großartig ihr seid und wie viele Stärken ihr habt, jeder Mensch, auch ihr, hat Schwächen oder Entwicklungsräume. Habt den Mut, sie klar, deutlich und differenziert zu benennen, arbeitet an ihnen oder nutzt ggf. euer Team, eure Kollegen, um diese Schwächen zu covern. Dafür arbeitet man doch heutzutage im Team. Denn sind wir mal ehrlich, wer sich noch an Pippis Abenteuer erinnern kann, dem fällt jetzt vielleicht auch ein, wie oft Tommy und Annika Pippi aus der Patsche geholfen haben, obwohl sie sich immer so sicher war, dass sie die Stärkste und Beste überhaupt sei.

  • Wenn ich es dann noch schaffe, im Sinne der hellen Triade (mehr dazu im Artikel von letzter Woche) ethisch und integer zu handeln, lande ich in Hinblick auf Selbstführung bei der vierten Kardinaltugend, der Mäßigung: ich finde Ruhe, Ordnung und Ausgeglichenheit in mir selbst, weil ich weiß wer ich bin und wo ich hin möchte. Die Führungskräfte, die es schaffen, in sich zu Ruhen, müssen sich nicht mehr an einem Status festklammen. Wer sich selbst so führt, dass er integer ist und dabei in sich ruht, der wird von einer Führungskraft zu einer Führungspersönlichkeit.

Und wenn man dann alle seine Stärken und Schwächen identifiziert hat???

Gute Frage? Dann macht man weiter. Ich bin seit über zwanzig Jahren eine Reisende, immer unterwegs, den Koffer stets parat. Ich weiß nicht wie viele Reisen ich schon unternommen habe. Dabei gibt es jedoch nur eine einzige, die nie aufzuhören scheint: das ist die Reise zu mir selbst. Persönlichkeitsentwicklung endet nicht. Vielmehr ist es ein andauernder Prozess. Also egal wo ihr gerade steht, beruflich wie privat, es mach immer Sinn, sich zu fragen, wo man denn eigentlich hin möchte und wie es um die individuellen Stärken und Schwächen bestellt ist. Hierbei dürft ihr gerne selbst herausfinden, ob ihr ein bisschen zu viel oder ein bisschen zu wenig seid wie Pippi. Für die, die glauben, es wäre hilfreich, etwas mehr wie Pippi zu sein, habe ich letzte Woche auf Insta einen Buchtipp in die Welt geschickt, den ich hier gerne wiederhole (selbstverständlich handelt es sich NICHT um bezahlte Werbung, ich empfehle aus Überzeugung): H. H. Stavemanns “…und täglich tickt die Selbstwertbombe”. Ich finde, dieses Buch hilft definitiv dabei, mehr über sich zu lernen und seinen wirklichen Wert klarer zu definieren, bzw. wahrzunehmen. Zudem ist es für den “Endverbraucher” geschrieben. Also keine Angst vor zu viel psychologischem Kauderwelsch!

Wer also weiterlesen möchte, gerne mit Herrn Stavemann. Von mir soll es das für heute gewesen sein. Ich wünsche euch auf jeden Fall einen wunderschönen restlichen Tag. Genießt die letzte Sommersonne und scheut euch nicht, eure Erfolge zu feiern und das was schiefgegangen ist, mutig hinsichtlich eures eigenen Beitrags dazu zu reflektieren. Ich glaube ich werde jetzt noch ein paar Bäume hochklettern und ein paar Pferde in die Luft stämmen. Und danach esse ich vielleicht so viele Süßigkeiten, bis es mir schlecht wird… Oder ich trinke einfach ein Gläschen Champagner.

Eure Constance

IMG_1085 (1).JPG

Schon viel zu lange her…

Damals in Stuttgart: man darf sich auch mal selbst feiern!

Die helle Triade - vom Bad Leadership zum Good Leadership zum Shared Leadership und den mutigen Geführten

Wie dunkel bin ich?

Ich muss zugeben, dass ich während meiner Recherche zur Dunklen Triade für meinen Artikel von vor zwei Wochen (hier der Link) ein wenig schlucken musste, als ich über diese “Niederträchtigen Neun” gestolpert bin. So ein bisschen habe ich mich im ein oder anderen Punkt dann doch wiedererkannt. Ich habe mir wirklich intensiv Gedanken gemacht, wie es denn um meine eigene dunkle Triade bestellt ist. Das hat sich nicht besonders gut angefühlt, denn mal ehrlich, keiner von uns will auf diese Art und Weise “dunkel” sein und “Antisozialer Kern” hört sich auch echt fies an! Etwas leichter wurde mir ums Herz, als ich schließlich auf die helle Triade und die zwölf Items der hellen Triade (quasi der Gegenentwurf zu den Niederträchtigen Neun) gestoßen bin.

Der gute Mensch - Humanismus für Fortgeschrittene

Erst im letzten Jahr definierte eine Forschungsgruppe um den Psychologen Scott Kaufmann vom Positive Psychology Center der Universität in Pennsylvania die sogenannte helle Triade als Gegenentwurf zur dunklen Triade. Im Zentrum ihres Interesses stand der sogenannte “Everyday Saint”, also der Alltagsheilige, der überall, auch in Wirtschaftsorganisationen, zu finden ist und sich positiv und wohltuend von den Vertretern der dunklen Triade abhebt, indem er mit Folgender Triade auftrumpft:

  • Humanismus (der Wertschätzung der Würde und des Wertes eines jeden Menschens)

  • Kantianismus (nach dem Kategorischen Imperativ: die Behandlung der Mitarbeiter ist immer auch das Ziel, niemals nur das bloße Mittel zum Zweck)

  • Glaube an die Menschlichkeit (die Überzeugung, dass alle Mitarbeiter im Grund gut sind)

Parallel dazu entwickelten sie die zwölf Items der hellen Triade. Wie bei den Niederträchtigen Neun, seid ihr auch hier eingeladen zu reflektieren, in welchen Punkten ihr euch selbst wiederfindet:

  1. Ich neige dazu, das Gute im Menschen zu sehen.

  2. Ich vertraue darauf, dass andere Menschen mich fair behandeln.

  3. Ich glaube, dass die meisten Menschen gut sind.

  4. Menschen, die mich verletzt haben, vergebe ich schnell.

  5. Ich neige dazu, andere Menschen zu bewundern.

  6. Ich neige dazu, den Erfolg anderer freudig anzuerkennen.

  7. Ich neige dazu, anderen wertschätzend zu begegnen.

  8. Ich genieße es anderen Menschen zuzuhören, egal welcher sozialen Schicht sie angehören.

  9. Ehrlichkeit ist mir wichtiger als Freundlichkeit.

  10. Ich fühle mich schlecht, wenn ich andere manipuliere, damit sie in meinem Sinne handeln.

  11. Ich möchte authentisch sein, selbst, wenn das meinem Ansehen schadet.

  12. Wenn ich mit Menschen spreche, denke ich kaum an das, was ich von ihnen will.

Und? Habt ihr euch hier und da wiedererkannt? Ich jedenfalls habe festgestellt, dass ich offensichtlich deutlich heller bin, als nach den Niederträchtigen Neun gedacht. Glück gehabt!

Von Moral und Tugendhaftigkeit

Nun hat die Suche nach dem Guten im Menschen zum Glück nicht erst im letzten Jahr begonnen. Im Prinzip ist diese Suche so alt wie die Menschheit selbst. Ihren wohl bekanntesten Ausdruck findet diese sogenannte Tugendethik in den vier Kardinaltugenden:

  • Klugheit: sie gilt als die Mutter aller weiteren Tugenden, weil alle weiteren Tugenden in ihrer Umsetzung zwingend Klugheit benötigen. Klugheit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man sowohl nach innen, auf sein Wissen und Gewissen, als auch nach außen, auf die Ideen und Argumente anderer, hört und entsprechend abwägt. - Es lebe das Feedback!

  • Gerechtigkeit: als ungerecht wird empfunden, dass einem Menschen das Seine vorenthalten, oder weggenommen wird, und zwar nicht durch ein Unglück, sondern durch andere Menschen, die daraus einen Vorteil für sich ziehen. Gerechtigkeit hat folglich immer auch mit dem Anderen zu tun.

  • Tapferkeit: tapfer zu sein bedeutet, sein Handeln in schwierigen, ggf. sogar bedrohlichen Situationen nicht von Angst, sondern von (Zivil-) Courage und Klugheit leiten zu lassen.

  • Mäßigung: Mäßigung bedeutet in diesem Zusammenhang nicht etwa die Mäßigung beim Zuckerkonsum oder ähnlichen, sondern das agieren aus einer inneren Ordnung, Ruhe und Ausgeglichenheit. Selbstreflektion ist hier das Thema!

Die Supertugend der Arbeitswelt

Zu diesen vier Kardinaltugenden hat sich im Businessumfeld seit einiger Zeit noch ein Art Supertugend gesellt: die Integrität. Jeder spricht von ihr, aber was bedeutet es denn, integer zu sein? Es bedeutet als erstes, dass meine Worte auch meinen Taten entsprechen. Werte, die ich vertrete, müssen sich auch in meinem Handeln widerspiegeln. Zusätzlich wird von der integreren Person verlangt, standhaft zu sein und auch im Angesicht von Widerständen den eigenen Grundsätzen treu zu bleiben. Interessanterweise treffen diese ersten beiden Punkte auch auf den ein oder anderen Allerweltsdiktator zu. Deshalb muss sich bei integreren Menschen zwangsläufig noch eine Portion Moralität hinzugesellen. Wer integer handelt, dem ist wichtig, dass er nicht nur sich selbst, sondern auch allen anderen gegenüber gerecht wird. Der kleine aber feine Unterschied zwischen Diktatoren und integreren Führungspersönlichkeiten! Ich denke, es war auch dieser Unterschied, den die Führungsethikerin Joanne Ciulla im Kopf hatte, als sie folgendes formulierte: “Es ist das Charakteristikum einer Führungsaufgabe in der Wirtschaft oder in jedem anderen Kontext, dass ihre genuine Tätigkeit gewöhnlich verlangt, mehr für die Interessen von Fremden Sorge zu tragen, als für die eigenen.”

Nichts ist für die Ewigkeit… Oder wie Unternehmenskultur Führung bedingt

So könnte man also meinen, dass eine gezielte Personalauswahl einfach nur die tugendhaften, integreren Kandidaten rausfiltern müsste und der Drops sei gelutscht. Integrität ist jedoch leider, wie alle Tugenden, keine Eigenschaft, die man einmal besitzt und dann ein Leben lang behält. Sie wird in einem langen Prozesse aufgebaut und gewahrt und stellt ein ausgesprochen zerbrechliches Gut dar, das schon in einem kurzen Moment zerstört werden kann. Die integersten Persönlichkeiten haben in einem Umfeld, dass diese Eigenschaften nicht auch durch eine entsprechende Unternehmenskultur fördert, auf lange Frist nur zwei Möglichkeiten: anpassen, oder weiterziehen. Kein Licht, egal will hell, strahlt eben für immer, wenn es nicht gepflegt wird.

Da Unternehmenskultur eine so große Bedeutung hat, finde ich es durchaus interessant, sich mal zu fragen, wo Unternehmenskultur herkommt, bzw. wer sie denn formt. Eine entsprechende Diskussion habe ich vor einigen Tagen in einem meiner Workshops vom Zaun gebrochen. Natürlich war man sich zunächst einig, dass die Kultur selbstverständlich von der Geschäftsführung gemacht werde und die Führungsebene dafür verantwortlich sei. Immerhin werden auf dieser Ebene ja die allseits bekannten Leitlinien oder Verhaltenskodexe erstellt. Natürlich musste ich fragen, ob die tatsächliche Unternehmenskultur denn das sei, was auf bunten Postern gedruckt ist, oder das, was auf Arbeitsebene gelebt wird. Böser Trainer! Zack war klar, dass ein jeder verantwortlich dafür ist, wie eine Unternehmenskultur sich darstellt. Natürlich haben auch Führungskräfte hierbei eine große Verantwortung und selbstverständlich gibt es Wechselwirkungen und Umstände, die sich komplex bedingen. Aber ich persönlich glaube, dass die Macht des “Fußvolks” noch immer deutlich unterschätzt wird. Lasst uns das Thema Gesellschaft und Kultur doch einmal historisch betrachten: wo wurden denn die wirklich großen gesellschaftlichen Veränderungen, wie zum Beispiel die Französische Revolution initiiert? Richtig, nicht auf Führungsebene. Es ist die breite Masse, die in der Lage ist, Gesellschaft und Kultur zu formen. Wenn die Masse “wir sind das Volk” brüllt (und damit meine ich ausdrücklich nur diejenigen, die das in den 80er Jahren gerufen haben!), kann das von oben übergestülpte, kulturelle oder gesellschaftliche Korsett noch so eng sein, es wird gesprengt.

“Mutige Geführte” und warum Followership ebenso wichtig ist wie Leadership

Weil man sich der Bedeutung der “Geführten” inzwischen auch auf Businessebene immer bewusster wird, fängt man zum Glück langsam aber sich an, sich nicht nur über gute Führungskräfte und optimale Führungskräfteentwicklung Gedanken zu machen, sondern auch über gute “Geführte”. 2009 hat der Publizist Ira Chaleff sein Konzept der “Mutigen Geführten” (Courageous Follower) veröffentlicht. In diesem Rahmen hat er die fünf Dimensionen einer mutigen Gefolgschaft dargestellt: Als erstes steht der Mut zum moralischen Handeln (mal wieder!), gefolgt vom Mut zur Verantwortungsübernahme und den Mut zur Herausforderung (der nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als die Fähigkeit, auch den Führungskräften eine konstruktive Kritik angedeihen zu lassen, sollten diese sich gefühlt auf dem Holzweg befinden), außerdem wäre dann noch der Mut zum Mitwirken an Veränderungen und abschließend der Mut zu dienen (was in diesem Kontext so viel bedeutet, wie ein hohes Engagement zur Zielerreichung).

Relativ zeitgleich wurde auch an der Universität von Virginia unter dem Titel “Workplace Courage” oder “Mut am Arbeitsplatz” ein weiterer Ansatz zu Thema “Good Followership” veröffentlicht, der ebenfalls zum Schluss kommt, dass gute Follower Menschen sind, die mutig sind, Verantwortung übernehmen, die sich trauen kritisch zu sein und diese Kritik auch auszusprechen, die selbstständig und selbst-organisiert sind, gemeinsam mit ihren Kollegen auf ein Ziel hinarbeiten und selbstverständlich dabei auch kompetent und gut für ihren jeweiligen Bereich ausgebildet sind. Tja, da sind wir wohl beim mündigen Arbeitnehmer, der sich selbst bewusst führt und einbringt.

All diese Überlegungen führen uns schließlich zu einer hochaktuellen Richtung der Führungsforschung: der geteilten Führung, oder Neuhochdeutsch dem “Shared Leadership”.

Shared Leadership, weil das Team der Star ist!

Wenn wir von Shared Leadership sprechen, sprechen wir von nicht mehr und nicht weniger als von einem fundamentalen Wandel in der Grundauffassung von Führung. Shared Leadership versteht sich als Gegenposition zur sogenannten herrschenden Führung, wonach Führung nur von einzelnen positional ausgeübt wird. Im Shared Leadership geht man davon aus, dass effektiver und auch ethisch korrekter Führung ein dynamischer und multidirektionaler Gruppenprozess zu Grunde liegt, an dem die Geführten als kompetente, verantwortliche und verantwortungsbewusste Mit-Führende (“Coleader”) beteiligt sind. Als Kind der Luftfahrt freue ich mich sehr, dass man diese Idee inzwischen auch im Kreise der “Fußgänger” für sich zu entdecken scheint, denn in der Luftfahrt wurde schon vor Jahrzehnten festgestellt, dass diese Art des Teammanagements die beste Möglichkeit ist, alle Ressourcen zu nutzen, um zum Erfolg zu kommen. In meinem Artikel vom 17. Mai habe ich euch die Herren Haynes und De Crespigny vorgestellt (hier der Link). Ihre Art des Shared Leadership hat hunderte von Menschenleben gerettet. Und liebe Führungskräfte, keine Angst vor Shared Leadership. Ihr müsst nichts abgeben. Im Gegenteil, ihr gewinnt dazu und bleibt trotzdem Chef, so wie diese beiden großartigen Flugkapitäne.

In diesem Sinne, lasst euch nicht entmutigen, egal auf welcher Ebene ihr unterwegs seid! Es lohnt sich!

Eure Constance

IMG_3642 (1).jpg

Das zarte Pflänzchen guter Führung

Es will sich gehegt und gepflegt fühlen