Führung

Die dunkle Triade und des Pudels teuflischer Kern schlechter Führung

Weil jeder sein Bestes gibt

All jene unter euch, die mir auch bei Instagram folgen (hier klicken), haben wahrscheinlich mitbekommen, dass ich mir ein neues Buch gekauft habe: “Bad Leadership” von Thomas Kuhn und Jürgen Weibler. Nachdem ich mich sehr ausführlich damit beschäftigt habe, was gute Führung ausmacht und wie gute Führung entsteht, war es für mich an der Zeit, mich auch mit schlechter Führung zu beschäftigen. Ja, bei mir ist das Glas immer halb voll und ich neige dazu, alles für gewöhnlich recht positiv und ressourcenorientiert zu sehen, nichts desto trotz lässt sich das Vorhandensein schlechter Führung nicht unter den Tisch kehren. Es gibt sie überall und wahrscheinlich kann jeder von uns das ein oder andere Beispiel benennen. Wirklich spannend ist hierbei, dass selbst diese Führungskräfte ihre Führung keineswegs als schlecht einstufen würden. Der ein oder andere erinnert sich vielleicht an die Herren Winterkorn und Kallesvuo, deren Art von Führung ich mir vor zwei Wochen vorgeknüpft habe (hier nochmal der Link). Die Erkenntnis von vor zwei Wochen war, dass sich selbst diese schillernden Persönlichkeiten niemals vorgenommen haben, schlechte Führungskräfte zu sein. Im Gegenteil, sie haben dass aus ihrer Sicht Beste gegeben und haben dabei auf ihrem Weg an die Spitze auch eine Menge Unterstützung erfahren. Sie fühlten sich gut, die schlechte Führung ist trotzdem passiert. Die Gretchenfrage ist hier, wie es passieren kann, dass man so einen Mist baut, während man nur das Beste will…

Schlechte Führung: eine Persönlichkeitsangelegenheit?

Tatsächlich gibt es viele Ursachen für das, was ich im Rahmen dieses Blogs als schlechte Führung bezeichne. Einige hängen direkt miteinander zusammen, andere bedingen oder verstärken sich gegenseitig. Einer der Faktoren liegt in unserer Persönlichkeit begraben. Vorab möchte ich jedoch zur Vorsicht aufrufen: Wir, als psychologische Laien, sollten uns tunlichst davor hüten, die nun folgenden allgemeinen Erkenntnisse als hinreichend für konkrete Diagnosen zu erachten: getreu dem Motto “mein Chef ist ein Psychopath/ Narzisst/ Machiavellist, weil er das und das tut. Mit einer solchen Ferndiagnose tun sich selbst ausgewiesenen Experten schwer. Anyway, wir befinden uns bereits mitten im Thema. Es geht um Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung.

Die dunkle Triade der Persönlichkeit

Im Jahr 2002 stellten die beiden Psychologen Delroy Paulhus und Kevin Williams die sogenannte dunkle Triade der Persönlichkeit vor, die inzwischen zu einem der Dreh- und Angelpunkte der wissenschaftlichen Diskussion über Bad Leadership geworden ist. Die einzelnen Bestandteile dieser dunklen Triade sind durchaus negative, jedoch nicht auch zwangsläufig krankhafte Persönlichkeitsprägungen: der Machiavellismus, die subklinische Psychopathie und der subklinische Narzissmus. Subklinisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die entsprechenden Persönlichkeitsstrukturen zwar vorhanden sind, jedoch nur schwer, oder noch gar nicht klinisch erkennbar sind. In der dunklen Triade kommen also die Empathielosigkeit des Psychopathen, die grandiose Selbstliebe und Selbstherrlichkeit des Narzissten und das manipulative Ausnutzen und der gnadenlose Ehrgeiz des Machiavellisten zusammen. Diese drei spezifischen Persönlichkeitsausrichtungen sind zwar unterschiedlich gelagert, bilden jedoch eine gemeinsame Schnittmenge: den “antisozialen Kern”. Den Ausführungen von Williams und Paulhus folgend, ist es dieser Kern, der dafür sorgt, dass emotionale Kälte, Eigeninteresse, Falschheit und Aggressivität verhaltensbestimmend sind. Natürlich könnte man nun meinen, dass solche Typen in unserer ach so tollen Gesellschaft keine Chance haben. Immerhin wirkt das alles doch recht düster. Jedoch sind es genau diese Typen, die uns auch auf eine sonderbare Weise faszinieren, die irgendwie schillernd, cool und spannend wirken, die alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen und deren charismatischer Charme uns alle einlullt. Schon mal gehört, dass Macht sexy sein soll?! Und genau hierbei geht es bei Bad Leadership: um Macht und Erfolg um jeden Preis! Dass Führung in erster Linie Verantwortung ist, gerät aus der Perspektive des antisozialen Kerns ins Hintertreffen. Treten in diesem Spiel dann die ersten Erfolge ein, wird das alles zum Selbstläufer. Der inzwischen grandios gescheiterte Thomas Middelhoff hat in diesem Zusammenhang einmal folgende Aussage getroffen: “Wenn man Macht zu haben glaubt und von seinem Umfeld in diesem Bewusstsein bestärkt wird, fängt man an, sich in seinem Wesen zu verändern.” Tja, ist auch eine Form der Weiterentwicklung, bedingt durch sein Umfeld! Nur eben in eine gefährliche Richtung! Sollte man sich vielleicht lieber mit Menschen umgeben, die einen darin bestärken, dass man Verantwortung trägt?

Wie dunkel ist meine eigene dunkle Triade?

Während ich in den letzten beiden Woche so vor mich hin gelesen haben, bin ich irgendwann an den Punkt gekommen, an dem ich mich gefragt habe, was ich für ein Typ bin. Wie ist es um meine eigenen dunkle Triade bestellt? Hierbei habe ich neun Punkte gefunden, die als die sogenannten “Niederträchtigen Neun” bezeichnet werden. Also nur falls ihr euch auch gerade fragt, könnt ihr kurz über die folgenden Punkte nachdenken und euch selbst ein wenig reflektieren, eh ihr weiter lest:

  1. Neige ich dazu, andere zu manipulieren, um meinen Willen durchzusetzen?

  2. Neige ich dazu, keine Gewissensbisse zu haben?

  3. Neige ich dazu, von anderen bewundert werden zu wollen?

  4. Habe ich getäuscht oder gelogen, um meinen Willen durchzusetzen?

  5. Neige ich dazu, mich nicht um die Moral meiner Handlungen zu kümmern?

  6. Neige ich dazu, von anderen beachtet werden zu wollen?

  7. Habe ich gezieltes Einschmeicheln genutzt, um meinen Willen durchzusetzen?

  8. Neige ich dazu, gefühllos oder unsensibel zu sein?

  9. Neige ich dazu, nach Ansehen oder Status zu streben?

Keine Sorge, ein bisschen dunkel ist normal! - Hoffe ich!

Weil der Mensch lernfähig ist - vom Personalmanager zum Jäger der dunklen Triade

Ich lasse mich nicht davon abbringen, ganz fest daran zu glauben, dass der Mensch niemals aufhört, sich weiterzuentwickeln und dazu zu lernen. Ebenso wie diese Herr Middelhoff durch (falsche) Bestätigung immer tiefer in seine dunkle Triade getrieben wurde, glaube ich ganz fest daran, dass man durch “richtige” Bestätigung gepaart mit einer offenen Feedback- und Unternehmenskultur Führungskräfte auch auf dem rechten Weg begleiten kann.

Personalauswahl und Führungskräfteentwicklung

Ich persönlich glaube, dass man Personalmanager nicht nur zum Jäger der dunklen Triade machen sollte, viel mehr sollte man ihnen Möglichkeiten geben, auch die helle Triade zu erkennen. Natürlich werden bei der Personalauswahl bereits Aspekte der guten und schlechten Führung berücksichtigt. Allerdings ist es zusätzlich sinnvoll, eine werteorientierte Personalauswahl bereits in der Ausschreibung zu betonen und dabei die grundsätzliche ethische Ausrichtung in der Selbstpräsentation der Organisation hervorzuheben (die dafür zweifelsohne erst mal vorhanden sein muss!). Auf diese Weise steigert eine Organisation ihre Attraktivität für ethisch orientierte Führungskräfte.

Auch im Rahmen der Führungskräfteentwicklung kann ein entsprechendes Personalmanagement einen ausgesprochen wertvollen und nachhaltigen Beitrag hin zu mehr Licht leisten. Ich weiß, es gibt sie noch, die Organisationen, die glauben, dass eine besondere fachliche Qualifikation (gerne auch gepaart mit einer guten Portion Charisma und einer großen Klappe) die Grundlage für gute Führung ist. Hier muss ich enttäuschen. Führungskräfte müssen entwickelt werden. Das Handwerk des Führens muss erlernt werden, wie das Handwerk der Softwareentwicklung, des Verkaufs, der Buchhaltung… You name it! Was passiert, wenn wir etwas tun sollen, dass wir nicht ausreichend oder gar nicht gelernt haben, ist klar: Stress und Frust sind allgegenwärtig, Überforderung tut ihr übriges. Natürlich muss die Fassade aufrecht erhalten werden. Die Folge ist, dass die Unsicherheiten mit ganz viel Selbstbewusstsein und Dominanz maskiert werden und natürlich wird dann nach oben geschmeichelt und frei von Gewissensbissen nach unten getreten. Ihr erinnert euch an die “Niederträchtigen Neun”? Manchmal fördert eine Organisationskultur die Entwicklung schlechter Führung im Sinne der dunklen Triade geradezu!

Wichtig für ein nachhaltiges Personalmanagement ist es, zu verstehen, dass Führungskräfteentwicklung nie aufhört. Auch Menschen, die bereits eine Machtposition inne haben, oder Führungsverantwortung übernommen haben, müssen begleitet werden, wenn man deren Entwicklung mitgestalten möchte. Die Tools hierfür sind bekannt: Feedback (durch die Personalabteilung, Personalbefragungen, Kollegen, etc.) um Selbst- und Fremdbild ein wenig besser in Einklang zu bringen. Wie gesagt, jeder handelt, wie er handelt, weil er glaubt, dass genau das der richtige Weg ist, bis er darauf hingewiesen wird, dass der Weg eben doch nicht so richtig ist! Nach dem Feedback folgt Coaching, das dabei hilft, persönlich Ursachen und Trigger herauszuarbeiten, die zu diesem dunklen Führungsverhalten geführt haben. Schließlich komplettieren Führungskräftetrainings diese Dreifaltigkeit, da man mit diesen gezielten Trainings die Selbstreflexion steigern kann, um negative Automatismen zu durchbrechen.

Und was ist, wenn es kein entsprechendes Personalmanagement gibt?

Ja, es gab und gibt Unternehmen, die schlechte Führung auch durch ihr Personalmanagement sogar bestärken. Hier ist guter Rat für den einfachen Mitarbeiter, das kleine, machtlose Licht wirklich teuer. Der Managementforscher Hoa Ma stellt drei Strategien im Umgang mit “tyrannischen Managern” zur Wahl. Strategie eins: die “Strategie der Duldung”, die ein bestmögliches Funktionieren innerhalb des Systems zur Grundlage hat, um so dann selbst in den erlesenen inneren Kreis der schlechten Führung aufzusteigen. Das sorgt natürlich dafür, dass es immer weiter geht, mit der schlechten Führung! Das System erhält sich selbst. Strategie zwei: die “Strategie der Kündigung”, ist selbstredend. Strategie drei: die “Strategie der Revolte”, die laut Ma leider all zu oft zum Scheitern verurteilt ist. Ganz so düster schätzt die hochdekorierte Wissenschaftsjournalistin Hara Esthoff Marano das Thema “Revolte gegen schlechte Führung” nicht ein. Unter der Überschrift “Tactics from the Pros” listet sie folgende Optionen im Umgang mit schlechter Führung auf

  • Konfrontiere den Leader mit seinem Verhalten, getreu dem Motto: zum Dissen gehören immer zwei!

  • Suche die Auseinandersetzung möglichst unter vier Augen, denn ein Bad Leader wird keinesfalls vor Publikum klein beigeben.

  • Bleibe konkret! Spiele nicht den großen Psychologen und versuche nicht, dem Leader wissenschaftlich nachzuweisen, warum er demotiviert.

  • Mache deutlich, welche Verhaltensweisen du erwartest.

  • Mache deutlich, wie negativ das Führungsverhalten gesehen wird.

  • Je höher der Führende in der Hierarchie, desto weniger kommst du ohne Verbündete aus.

Auch die Harvard Professorin Barbara Kellerman hat den ein oder anderen Tipp für die “schlecht Geführten” unter den Mitarbeitern:

  • Nimm Führende in die Verantwortung!

  • Sei skeptisch und habe einen Standpunkt!

  • Sei aufmerksam!

  • Informiere dich unabhängig!

  • Sei nicht einem Einzelnen, sondern stets nur dem Ganzen verpflichtet!

Und abschließend bennent auch Kellerman, ähnlich wie Esthoff Marano, dass Verbündete wichtig sind. Denn letztlich sind schlechte Führungskräfte immer auch ein Outcome der jeweiligen Unternehmenskultur und wenn wir uns einmal fragen, wer diese Kultur formt und wer bestimmt, wie diese Kultur jeden Tag umgesetzt und gelebt wird, dann sind das nicht die zehn Prozent an der Spitze, sondern die 90 Prozent, die ein Unternehmen zu dem machen, was es ist. Wenn wir einmal über den Tellerrand von Wirtschaftsorganisationen hinausschauen und uns überlegen, wo die wirklich großen kulturellen Veränderungen unserer Geschichte ihren Ursprung hatten, dann stellen wir fest, dass diese keineswegs von einer kleinen Gruppe Mächtiger initiiert wurden. Schon die Französische Revolution hat die gesellschaftlichen Veränderung von unten nach oben gedrückt, unaufhaltsam.

Ich persönlich finde, dass gute, motivierende, offene und unterstützende Führung zum einen eine ethisch-moralische Zwangsläufigkeit sein sollte. Zusätzlich bin ich noch der Meinung, dass die beschriebene dunkle oder tyrannische Führung auch in wirtschaftlicher Hinsicht untragbar ist. Was habe ich davon, wenn ich die von Ma beschriebene “Strategie eins” befolge, mich anpasse, um Karriere zu machen, oder einfach nur um zu überleben? Ich unterstütze, wie im Falle von Nokia oder Volkswagen, ein System, dass zum Scheitern verurteilt ist, weil Innovationen ausbleiben. Schaut euch meinen vorletzten Blog ruhig nochmal unter diesem Gesichtspunkt an. Sehr viele, die sich bei Nokia angepasst haben, um ihren Job nicht zu verlieren, haben nach Jahren der miesen Arbeitsatmosphäre schließlich doch ihren Job verloren… Vielleicht dann eher “Strategie zwei”, wenn mir zur Revolte der Mut oder die Verbündeten fehlen? Wir verbringen so unglaublich viel Lebenszeit auf der Arbeit. Es sollte ein guter Ort sein, an dem wir uns wohlfühlen, wertgeschätzt werden, unser Potenzial entfalten dürfen und glücklich sind.

Weil es auch eine helle Triade gibt

All jene unter euch, denen dieses berufliche Land, in dem Milch und Honig zu fließen scheinen, wie ein Märchen vorkommt, denen lass gesagt sein, es gibt diese Arbeitgeber. Es gibt Arbeitgeber, die bewusst in ein Feelgood Management für ihre Mitarbeiter investieren, weil sie verstanden haben, wie wertvoll ihre Mitarbeiter sind. Hier muss natürlich auch gearbeitet werden. Allerdings fühlt es sich sicher besser an, wenn sich die Führungskräfte in der hellen Triade bewegen: Humanismus (der Wertschätzung der Würde und des Wertes eines jeden Menschen), Kantianismus (frei nach dem Kategorischen Imperativ: die Behandlung aller Mitarbeiter ist immer auch das Ziel, niemals nur das bloße Mittel zum Zweck), Glaube an die Menschlichkeit (die Überzeugung, dass alle Mitarbeiter im Grunde gut sind). Hört sich gut an, oder? Nächste Woche möchte mein Feministinnen-Herz unbedingt mal was zum Thema Frauenquoten und Quotenfrauen schreiben, aber ich denke in zwei Wochen werde ich diese helle Triade und wie man sie im beruflichen Kontext findet, wieder aufgreifen. Bis dahin freue ich mich natürlich über Feedback auf allen Kanälen (habe ich erwähnt, dass ich noch ein paar Follower bei Instagram brauchen könnte…???)!

Eure Constance

IMG_3533.jpg

Die dunkle Triade

Des Pudels teuflischer Kern!

Nokia wer??? Human Factors Tod eines Weltmarktführers

Als die Handys smart wurden

Wer aus der Generation Ü-40 hatte irgendwann einmal ein Handy von Nokia? Ich hatte zwei. Mein erstes Handy überhaupt war von Nokia, lila mit Antenne. Auch sein Nachfolger, blau-grau ohne Antenne, war vom damaligen Weltmarktführer in Sachen Mobiltelefon. Ich war mit beiden Handys sehr zufrieden. Das zweite fand leider ein sehr tragisches Ende in einer südafrikanischen Waschmaschine… Der Nachfolger war von der Konkurrenz, obwohl ich eigentlich lieber wieder ein Handy meiner Lieblingsmarke gehabt hätte. Irgendwie gab es aber nichts neues, innovatives von Nokia mehr. Ich landete bei Samsung. Heute habe ich Apple, aber auch eher durch Zufall. Unbezahlter Werbeblock hiermit beendet.

So wie mir ging es damals vielen Kunden in den Mobilfunkgeschäften. Komisch, Nokia war Jahre lang der heißeste Scheiß in Sachen Handy. Weltmarktführer mit einem Marktanteil von fast 25 Prozent Ende der 90er Jahre. Doch plötzlich ist Nokia verschwunden. Ich erinnere mich noch schemenhaft an die Proteste, als 2008 das Nokia Werk in Bochum geschlossen wurde. Der Weltmarktführer verschwand und andere standen schon bereit, um in die freiwerdende Lücke zu springen. Natürlich ist es in derart schnelllebigen und innovationsbasierten Branchen nicht unüblich, dass selbst Weltmarktführer von anderen Unternehmen überholt werden. Der schnelle, sang- und klanglose Niedergang der Mobilfunksparte von Nokia ist dennoch bemerkenswert, nicht nur weil der Marktwert des Unternehmens selbst innerhalb weniger Jahre um 75 Prozent sank. Was nach außen wie ein rasanter Niedergang aussah, war in Wirklichkeit der schleichende Human Factors Tod, der inzwischen gut beleuchtet und aufgearbeitet wurde. Dieser schleichende Prozess bei Nokia ist ein sehr gutes Beispiel, aus dem andere Organisationen formidabel lernen können, wenn sie denn wollen.

Das Ende einer Erfolgsstory

In den frühen 2000er Jahre brachte Nokia alles mit um zum Beherrscher des exponentiell wachsenden Smartphone Marktes zu werden. Die großen Erfolge der näheren Vergangenheit legten die wirtschaftliche Basis für Investitionen in die Zukunft und mit seinem Betriebssystem Symbian war Nokia zunächst auch auf einem scheinbar guten Weg.

Warum war Nokia nicht in der Lage, seine PS auf die Straße zu bringen, um Apple und Co. zu zeigen, wo der Hammer hängt? Hervorgerufen durch ein, ich möchte es mal temperamentvolles Management nennen und durch den eng umkämpften Markt, der als stetige Drohkulisse genutzt wurde, herrschte im gesamten Unternehmen eine angsterfüllte emotionale Atmosphäre, die zu einer gewissen Trägheit im gesamten Unternehmen führte. So jedenfalls stellten es Professor Dr. Quy N. Huy und der Executive Director der internationalen Industrie- und Handelskammer Finnland Timo O.Vuori im “Administrative Science Quarterly 61.1” heraus.

Weil der Fisch für gewöhnlich von Kopf stinkt…

Wie konnte es soweit kommen? Dass der Fisch immer vom Kopf stinke, ist eine altbekannte Weisheit, die so nicht immer richtig ist. Um die angsterfüllte Atmosphäre und deren Auswirkungen bei Nokia zu verstehen, ist es jedoch wichtig, “oben” anzufangen. Der für einen Finnen offensichtlich recht heißblütige Vorstandsvorsitzende Olli-Pekka Kallesvuo war bekannt dafür, seine Mitarbeiter regelmäßig aus voller Kehle anzuschreien und eine Managementebene tiefer war man sich einig, dass man Olli-Pekka besser nur das mitteilte, was er auch hören möchte. Von Problem wollte Olli-Pekka übrigens nichts hören, nie! Auch Olli-Pekkas Stellvertreter war aus aus ähnlichem Holz geschnitzt. Man sagte ihm nach, dass er während Meetings regelmäßig so heftig mit der Faust auf den Tisch schlug, dass das Obst auf dem Tisch abhob. Alles das konnte man im bereits erwähnten Administrative Science Quarterly nachlesen. Leitende Führungskräfte, die mit den Anforderungen und der Kultur nicht mithalten konnten oder wollten, wurden als öffentlich “Loser” bezeichnet, als Low-Performer und sie “setzten ihren Ruf aufs Spiel”. Man hielt also besser den Mund und unterwarf sich den Regeln des Spiels.

Ich glaube ich muss nicht weiter beschreiben, wie es um die Gefühlslage der leitenden Führungskräfte bestellt war. Cholerische Chefs und panische Angst vor der innovativen Konkurrenz aus dem Silicon Valley! Klar dass die Nerven hier dauerhaft blank lagen und der Druck natürlich nach unten weitergegeben wurde. Daraus resultierend hatten die Manager auf mittlerer Führungsebene Angst davor, schlechte Nachrichten weiterzugeben. Stattdessen lieferten sie regelmäßig einen etwas zu optimistischen Ausblick auf die technologischen Features des zu entwickelnden Smartphones und versäumten es, zwingend notwendige Investitionen in die Entwicklung komplexer Innovationen einzufordern. Ein Manager erklärte: “In der Abteilung für Forschung und Entwicklung bei Nokia gab es die Kultur, dass man die obere Ebene zufriedenstellen wollte. Man wollte gute Nachrichten und keine Realitätsprüfung.” (Dieses Zitat entspringt ebenfalls den Auswertungen der Herren Huy und Vuori).

Die Folgen psychologischer Unsicherheit

Nokia befand sich in einer sich schnell verändernden Branche, in der Erfolg vom Wissen, der Kommunikation, der Kreativität, der Innovationskraft und vor allem der Zusammenarbeit der Mitarbeiter abhängig war. Der geneigte Leser meiner Blogs hat inzwischen sicher verstanden, dass kreative und innovative kognitive Fähigkeiten im Zustand von Angst nicht möglich sind. Auch ein angemessenes Fehlermanagement, bzw. eine daraus resultierende Lernschleife ist unmöglich, wenn ich Angst davor habe, Fehler und Missstände zu melden. Alles das führt uns zu dem von mir regelmäßig bearbeiteten Thema der psychologischen Sicherheit und zu der von mir so geliebten Amy Edmondson aus Harvard! Selbstverständlich kann man nicht sagen, dass psychologische Sicherheit Nokias Erfolg in einer derart hart umkämpften Branche nachhaltig gesichert hätte. Aber nur in einer Kultur der psychologischen Sicherheit können die Mitarbeiter, die als Humanvermögen eines Unternehmens über die letzten Jahrzehnte zunehmend an Bedeutung gewonnen haben, ihr volles innovatives und kreatives Potenzial nutzen. Und nur in einer Kultur der psychologischen Sicherheit können leitende Führungskräfte und das Top-Management wissen, wo das Unternehmen wirklich steht, um gegebenenfalls schnell reagieren zu können.

Was den Finnen ihr Olli-Pekka ist den Deutschen ihr Martin

Natürlich könnte man jetzt sagen, die spinnen die Finnen. Aber das ist kein finnisches Problem. Der Dieselskandal rund um Volkswagen, der den großen Martin Winterkorn in die Knie gezwungen hat, ist ja noch immer in aller Munde. Ich kann mich noch daran erinnern, wie Winterkorn erklärte, dass er von nichts wusste und sich auch keines Fehler bewusst war. Klar, der arrogant, überhebliche Autokrat Winterkorn stellt natürlich einen medienwirksamen Bösewicht dar. Das verrückte ist, dass ich ihm voll und ganz glaube. Er wusste von nichts! Warum? Weil alle Angst vor ihm hatten. Und natürlich glaubte er, alles richtig gemacht zu haben. Immerhin wurde er von einem gewissen Ferdinand Piech ins Amt befördert, weil er so war wie er und deshalb Kontinuität im Führungsstil versprach. Aber was war das für ein Führungsstil? Ich erzähle mal eine Szene nach, die so auch auf YouTube anzuschauen ist: auf der Automobilmesse in Frankfurt 2011 stellt Hyundai eine geräuschlose Lenkwelle vor. Als Winterkorn das sieht, schreit er seinen Chefdesigner Bischoff an und faltet ihn encora Publikum, weil VW diese für fast unmöglich gehaltene Innovation nicht gelungen war. Die Umherstehenden übten sich in betretenem Fremdschämen. Chefdesigner Bischoff verteidigte Winterkorns Verhalten interessanterweise später in einem Interview. Klar würde sein Chef durch die Decke gehen, wenn etwas aus seiner Sicht schief liefe, allerdings sei sein Chef privat ein echt Guter und Sozialer, der sich sehr für das persönliche Schicksal von Menschen interessiere. Aber es geht doch nicht darum, ob jemand ein guter Mensch ist, sondern ob es ihm als Chef gelingt, so zu führen, dass es dem Erfolg des Unternehmens zuträglich ist. Bei VW herrschte, ähnlich wie bei Nokia, ein Klima der Angst und als Winterkorn den Ingenieuren das Unmögliche befahl, nämlich die Stickstoffemission der Dieselmotoren unter das magische US-Maß zu senken, haben diese sich nicht getraut, zu sagen, dass es technisch nicht möglich sei. Lieber haben sie aus Angst vor Konsequenzen und Arbeitsplatzverlust angefangen zu schummeln. Und natürlich wusste Winterkorn nichts, weil alle Angst vor ihm hatten. Am 24. September 2015 schrieb Aufsichtsratsmitglied Bernd Osterloh in einem Brief an die Belegschaft: “In Zukunft brauchen wir ein Betriebsklima, in dem Probleme nicht verheimlicht werden, sondern offen mit Vorgesetzten geteilt werden können. Wir brauchen eine Kultur, in der es möglich ist, mit dem Vorgesetzten über die beste Handlungsweise zu diskutieren.” Entscheidet selbst: wärt ihr in der Lage, offen mit einem Chef Probleme zu diskutieren, der öffentlich Kollegen anschreit? Ich nicht! Winterkorn ist jetzt wohl Privatier.

Keine Sorge, mein Mitleid mit den unwissenden Martins und Olli-Pekkas dieser Welt hält sich in Grenzen. Ja, sie wussten nichts und ja, sie waren von den Entwicklungen sicher selbst am meisten überrascht. Aber sie haben es sich all die Jahre einfach viel zu leicht gemacht. Klar sorgt so ein Angst-Regime dafür, dass man als Führungskraft einen lauen Lenz schieben kann. Wenn ich nur gemeldet bekomme, dass alles läuft, ist doch alles easy. Keiner wird gerne mit Problemen konfrontiert, die einem dann noch Arbeit machen. Aber so läuft das nun mal. Nur so kann ich wissen, was in meinem Unternehmen oder in meiner Abteilung vor sich geht. Erfolg stellt immer nur eine Momentaufnahme dar und vielleicht brodelt es in diesem Moment schon gehörig unter der Oberfläche. Der Human Factors Tod eines Unternehmens ist ein langsamer, stiller, aber nachhaltiger Tod. Dabei ist er vor allem jedoch eins: vermeidbar! Deshalb ist mein Mitleid bei all den Menschen, die auf diese Art und Weise in eine existenzbedrohende Situation gekommen sind. Bei den Müttern, die ihren Kinder erklären müssen, dass sie nicht an diesem Ausflug mit den Freunden teilnehmen können. Bei denen, die in der Schlange der örtlichen Tafel stehend versuchen, ihre Würde zu wahren. Manager und Führungskräfte haben eine Verantwortung, die weit über Bilanzkurven und Börsenkurse hinausgeht. Sie tragen Verantwortung für Menschen. Es gibt Dinge, die sind unvermeidbar, ja! Der Human Factors Tod gehört aber nicht dazu!

Bad Leadership

Eigentlich habe ich mich immer nur damit auseinandergesetzt, was gute Führung ausmacht. All jene von euch, die mir bei Instagram folgen (kleiner Werbeblock in eigener Sache: klicke hier) haben sicher mitbekommen, dass ich mir ein neues Buch gekauft habe: Bad Leadership. Ich habe es noch nicht gelesen, aber ich glaube tatsächlich, dass man sich dem Thema Führung sinnvollerweise von beiden Seiten nähern sollte. Führung ist so unglaublich wichtig und machtvoll, egal ob Servant Leadership, bad Leadership, oder was auch immer. Außerdem bin ich mir ganz sicher, dass auch Martin und Olli-Pekka nicht entschieden haben, schlechte Führungskräfte zu sein. Es ist einfach passiert, während sie, wie jeder andere auch, versucht haben, ihr Bestes zu geben. Deshalb ist der Mut, sich selbst zu hinterfragen und zu reflektieren vielleicht die wichtigste und mutigste Führungseigenschaft.

Eure Constance

IMG_3453.jpg

Nokia wer???

Wie das Smartphone von Nokia wohl gewesen wäre…? Und wenn Nokia auf der Erfolgsspur geblieben wäre…? Was wäre dann aus Apple und Co. geworden…?

Servant Leader: Neuer Stern am Business-Himmel, oder olle Kammelle in neuem Kleidchen?

Für Katja

Mit das Spannendste am schreiben dieser allwöchentlichen Blog-Beiträge rund um das Thema Human Factor ist für mich interessanterweise die Themenfindung. Meine Themen finden mich auf allen möglichen Kanälen. Dieses, der Servant Leader, hat mich während einer Weinwanderung gefunden. Mit meiner lieben Freundin Katja habe ich bei bestem Wetter erörtert, wie man Menschen beibringt, Servant Leader zu sein. Die bedeutendste Frage aus der Perspektive eines Human Factors Trainer hierbei ist, ob man das Menschen überhaupt explizit beibringen muss. Ist der Chef, dem es gelingt, sein gesamtes Team zu Höchstleistungen anzuspornen, nicht immer “dienend”, weil ein Team nur Höchstleistung erbringt, wenn es auch die entsprechende Unterstützung erfährt?

Von Friedrich dem Großen zu agilen Mindsets

Was mich gelegentlich zum Lachen bringt, manchmal aber auch irgendwie wütend macht, ist der Umstand, dass es sehr eifrige Zeitgenossen gibt, die banalen Dingen, die es schon immer gab, extrem coole, neue Namen geben, sie mystifiziert, ein hoch komplexes Buch darüber schreiben und ihr “neues” System, das natürlich unabdingbar für eine erfolgreiche Organisation ist, mit einer tollen Marketing-Strategie für viel Geld verkaufen. Wie auch immer, dieser Servant Leader, oder die dienende Führung, ist keine neue Erfindung, auch wenn kluge Marketing-Strategen uns das unbedingt glauben lassen wollen. Einer der Ersten, der die Idee der dienenden Führung beschrieben hat, war kein geringerer, als Friedrich der Große. Es sollte hinlänglich bekannt sein, dass dieser kluge Mann lange vor der Erfindung agiler Unternehmensstrukturen gelebt hat. Ich zitiere ihn mal: “Der Herrscher ist der erste Diener des Staates. Er wird gut besoldet, damit er die Würde seines Standes aufrechterhalte. Man fordert aber von ihm, dass er werktätig für das Wohl des Staates arbeite und (…) die Hauptgeschäfte mit Sorgfalt leite.” Eingangsfrage beantwortet: Servant Leadership ist ne olle Kamelle! Aber sei’s drum, Jahre später hat Robert Greenleaf das Ganze aufgegriffen und als Ansatz in der Führungsforschung etabliert. Das geschah übrigens schon 1970, also knapp nach Friedrich dem Großen und kurz vor agilen Mindsets! Die dienende Führung beschreibt das Wirken von Führungskräften als Dienst am gesamten Team, der Abteilung, dem Unternehmen und stellt den Gegensatz zur beherrschenden Führung dar.

Und dann kam auch noch Hermann Hesse

Interessanterweise hat Robert Greenleaf seine Theorien auch nicht aus der hohlen Hand heraus entwickelt. Seine Geistesblitze hatte Greenleaf während der Lektüre von Herrmann Hesses Morgenlandfahrt, eine Erzählung mit deutlich autobiografischen Charakter. Die Geschichte handelt von einer Reise des jungen Violinenspielers H.H. Diese Reise H.H.s ist metaphorisch als die Suche nach dem Ideal, dem Streben nach sittlicher Reife und Spiritualität zu verstehen. Natürlich muss er das ein oder andere Abenteuer bestehen und am Ende steht die Erkenntnis, dass, wer diene lebendiger ist. Wer herrschen wolle, sei statisch, unbeweglich und lebe nicht lange. Ich halte es für übertrieben, dass herrschende Führungskräfte, die vor allem Macht ausüben, früher sterben. Aber sie töten ihre Organisation. Denn Lebendigkeit bedeutet Beweglichkeit und beweglich (oder sollte ich besser sagen flexibel) müssen Organisationen heutzutage sein, um Erfolg zu haben.

Aber jetzt mal Butter bei die Fische…

Jetzt aber genug Geschichte und Literatur. Um zu verstehen, was dienende Führung ist, schauen wir uns erstmal kurz das Gegenteil davon an: die beherrschende Führung. Nach diesem Führungsverständnis besteht der Zweck von Führung in der Verhaltensbeeinflussung von Menschen zur Zielerreichung. Das setzt eine Asymmetrie zwischen Führendem und Geführtem voraus, die als Hierarchie wahrgenommen wird. Außerdem setzt diese Form der Führung voraus, dass der Führende am besten weiß, wo es wie entlang geht. Herrschende Führung sollte also höchst kompetent, am besten allwissend sein! Das Problem hierbei ist, dass es verdammt viele Menschen gibt, die sich zwar für allwissend halten, ich habe aber noch keinen getroffen, der es tatsächlich ist. ”Ich weiß, dass ich nichts weiß” ist in diesem Zusammenhang noch immer die Erkenntnis der Stunde. Tja, Sokrates wäre wahrscheinlich auch ein Servant Leader gewesen! Auf jeden Fall ist ausgerechnet er, bekennend unwissend, als einer der ganz großen Denker in die Geschichte eingegangen. Das zeigt mir sehr deutlich, dass man gar nicht allwissend sein muss, um großartig zu sein.

Von Sokrates zur Luftfahrt

Während Sokrates nun also wusste, dass er nichts wusste, stellte die Luftfahrt nach dem fatalen Flugzeugunglück in Teneriffa 1977 zunehmend fest, dass man gar nicht alles wissen kann, unmöglich (mehr zum Unglück von Teneriffa hier)! Man erkannte immer deutlicher, dass es nicht die großartige Leistung einzelner, unfehlbarer Flugzeugkapitäne ist, die Menschen gesund und munter von A nach B bringen, sondern die Leistung der gesamten Besatzung. Diese Erkenntnis war die Geburtsstunde des Human Factors- oder Crew Ressource Managementtrainings, dass Kapitäne schließlich zu Teammanagern machte, die sich bewusst darüber wurden, wie wertvoll ihre Crew für sie und ihren Erfolg ist. Man könnte auch sagen, sie haben verstanden, dass sie ohne ihre Crew, ihr Team, nichts sind, wirkungslos. Wer zu dieser Erkenntnis gelangt, wird schon aus ur-eigenstem Interesse zu einem dienenden Leader, ohne jemals zu einem Servant Leader ausgebildet worden zu sein.

Servant Leadership, endlich!

Die Philosophie des Servant Leaderships stellt als aller erstes die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Führenden und Geführten dar, wobei es vor allem die Führungskräfte sind, die ihre Teamkollegen oder Mitarbeiter als wertvolle Ressource wahrnehmen und verstehen. Aus Perspektive der Führenden stellt sich die Frage, wie man andere führen kann, damit sie sich weiterentwickeln und ihr volles Potenzial entfalten können, um so einen größt- oder bestmöglichen Beitrag zur Realisierung der gemeinschaftlichen Ziele zu leisten. Ob das Ziel nun, wie in der Luftfahrt, lebend anzukommen ist, oder ob es um die Entwicklung eines Produkts oder um eine Dienstleistung geht, ist egal. Die Erfolgsfaktoren auf menschlicher Ebene sind immer die gleichen.

Wenn ich Menschen nun also beibringen möchte, Servant Leader zu sein, muss ich sie zunächst den Wert ihrer Mitarbeiter erkennen lassen und parallel dazu ihre eigenen Grenzen. Im zweiten Schritt muss ich Servant Leader beibringen, wie sie dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter sich sicher genug fühlen, um sich frei zu entfalten. Die von der hochgeschätzten und regelmäßig von mir zitierten Harvard-Professorin Amy Edmondson beschriebene Psychological Safety ist die Basis für Kreativität und Höchstleistung. Die Gretchenfrage ist natürlich immer, wie man dafür sorgt, dass seine Leute sich sicher fühlen (und mit diesen Gedanken ist man im Prinzip schon ein Servant Leader!). Die Erfahrung zeigt, dass Menschen zwei Dinge brauchen, um sich sicher zu fühlen: sie dürfen keine Angst vor Fehlern haben und sie müssen wissen, woran sie sind. Ergo muss ich Feedback geben und eine Fehlerkultur implementieren, die Fehler als systemimmanent betrachtet und sie nicht negativ bewertet, sondern als Möglichkeit sieht, sich, die Organisation, das Produkt weiterzuentwickeln. Durch ein entsprechendes Fehlermanagement und eine funktionierende Feedbackkultur entsteht ein Regelkreis der Systemerneuerung, der wiederum zu einer Systemstabilisierung führt. Amy Edmondson nennt das übrigens Lernende Organisation, die sich wie ein lebendiger Organismus aus sich selbst heraus stetig weiterentwickelt und flexibel an neue Bedingungen anpasst. Wir drehen uns im Kreis und sind wieder bei Hesse und der Lebendigkeit!

Die Voraussetzung für das Gelingen einer dienenden Führung ist folglich natürlich eine hochgradig offene Organisations- oder Unternehmenskultur, sonst klappt das nicht mit Feedback- und Fehlerkultur. Ich gebe zu, dass es Führungskräften immer schwerer fällt, sich zu orientieren und sich ihrer eigenen Daseinsberechtigung bewusst zu sein, je offener eine Organisationskultur ist. Und ja, eine agile Transformation ist besonders für Führungskräfte ein einschneidendes Ereignis, werden sie doch subjektiv empfunden ein Stück weit ihres Status beraubt und fragen sich vielleicht, was denn nun ihre Aufgabe sei. Diesen Führungskräften bringe ich aber nicht bei, was Servant Leadership ist (zumal sie sicher intelligent genug sind, das in Büchern nachzulesen). Viel mehr muss ich ihnen darstellen, dass ihr Team sie weiterhin braucht. Ein Individualisierung von Führung ergibt sich auch in agilen Strukturen aus einer ungebrochenen Wertedynamik, aus der Unterschiedlichkeit der Teammitglieder, aus den unterschiedlichen Motiven der Menschen, die geführt werden sollen, oder oft sogar geführt werden wollen. Die Notwendigkeit von Führung ergibt sich aus dem unterschiedlichen Wollen, Können, Sollen und Dürfen der Teammitglieder. Besonders heterogene Teams sind interessanterweise auch die besonders leistungsfähigen Teams. Und die Unterschiedlichkeit, dieser Komplexität des menschlichen Miteinanders gilt es wahrzunehmen und zu mangen. Das ist eine große Aufgabe, die eine der Grundvoraussetzungen für Hochleistungsteams darstellt. Das haben schon die Herren Pawlowsky und Steigenberger im Rahmen ihrere mit der TU-Chemnitz erarbeiteten H!PE-Formel, einer Formel für High-Performance, herausgestellt. Ohne Führung keine Höchstleistung liebe Führungskräfte! Man braucht euch, aber man braucht euch als Menschen, die den Wert ihres Teams kennen und fördern, weil sie sich ihrere eigenen Grenzen bewusst sind!

Haben die Führungskräfte schließlich das Warum verstanden, ist es sinnvoll, ihnen darzustellen, welchen Nutzen sie von dieser Form der Führung haben, einer Führung, die ihr Team konsequent in den Mittelpunkt rückt. Eigentlich liegt der Benefit ganz klar auf der Hand: Erfolg! Da Erfolg an sich jedoch recht abstrakt ist, arbeite ich gerne mit Fallbeispielen von ausgesprochen guten Führungskräften, die durch ihre Art zu Führen erfolgreich waren. Da ich meine Wurzeln in der Luftfahrt habe und die Luftfahrt seit vielen Jahren durch entsprechende Schulungen bewusst diese Form der Führung, die das Team als Ressource betrachtet, fördert, nutze ich auch gerne Beispiele aus der Luftfahrt. In der Luftfahrt nennen wir das übrigens total platt und unspektakulär flache Hierarchie! All jene von euch, die meinem Blog regelmäßig folgen, können sich vielleicht noch an zwei ganz besondere Kapitäne erinnern: den kürzlich verstorbenen US-Amerikaner Al Haynes und den Australier Richard De Crespigny, die beide in fast aussichtslosen Situationen Menschenleben gerettet haben. Dies gelang ihnen nicht, weil sie überdurchschnittliche Super-Piloten waren, sondern weil sie sich darüber bewusst waren, dass ihr größter Trumpf ihre Crew-Mitglieder waren. Außerdem waren beide auf wunderbare Art und Weise bescheiden und sich wie Sokrates bewusst darüber, dass ihr eigenes Wissen und Können begrenzt ist. Wer sich nicht mehr an die beiden erinnern kann, findet hier den Link zum Artikel.

Und jetzt?

Tja Katja, und jetzt? Wahrscheinlich bist du im Hinblick auf diesen Workshop auch nicht klüger als vorher… Servant Leader werden eben nicht ausgebildet, sondern sie entwickeln sich aus sich selbst heraus. Natürlich kann ich diesen Prozess mit einem guten Konzept zur Führungskräfteentwicklung unterstützen, indem ich zur Selbstreflexion anrege oder anleite. Machen wir ja auch in der Luftfahrt sehr konsequent. Aber Menschen, die die Wertigkeit und die Bedeutung ihres Teams nicht erkennen wollen, werden selbst mit den besten Schulungen nicht zu Servant Leader, währenddessen Menschen, die die Wertigkeit anderer Menschen erkennen und wahrnehmen auch ohne jeden Workshop zu Servant Leadern werden. Hier muss man ansetzen! Friedrich der Große hat einfach so eine kleine Kulturrevolution angezettelt, weil er den Wert seines Volkes erkannt hat. Er hat einfach so verstanden, dass es dem Staat (also quasi seiner Organisation) nützlich ist, wenn auch Bauern lesen und schreiben können. Deshalb hat er Geld in die Hand genommen und das Bildungssystem ausgebaut. Er hätte sich ja auch ein neues größeres Schloss kaufen können um seine Macht noch deutlicher zu manifestieren…

Und ihr so? Schloss und Macht oder Schulen und Verantwortung?

Eure Constance

Servant_Leader.jpg

Dienende Führung

Oder einfach nur den Wert seines Teams erkennen